§4. Die Staatsangehörigen und die Fremden. 19
allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte ist zwar nunmehr durch die Reichsgesetzgebung in
ungleich weiterem Umfang geschützt und damit zugleich ein Ausfluß des Subjektionsver-
hältnisses zur Reichsgewalt geworden, sie haben aber damit ihre Eigenschaft als staats-
bürgerliche Rechte i. w. S. nicht verloren, wenn sie auch jedem Deutschen, und die meisten
derselben auch jedem Ausländer innerhalb Landes zuerkannt werden; sie bilden vielmehr,
in so weit sie eine Schranke des dem Einzelstaate verbliebenen Selbstverwaltungsrechts
darstellen, einen Bestandtheil auch des partikularen Staatsrechts ¹).
II. Die rechtliche Stellung der Ausländer d. h. der Angehörigen von Staaten, welche
nicht zum Deutschen Reiche gehören.
1. Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts findet eine grundsätzliche Gleich-
stellung der Ausländer und der Landesangehörigen nicht statt ²); die Ausländer haben an
sich keinen Anspruch auf Theilnahme an den staatsbürgerlichen Rechten. Insbesondere kann
a) dem Ausländer der Eintritt in das Staatsgebiet versagt, derselbe aus dem
Staatsgebiet ausgewiesen werden. Durch das R. Str. G. B. ist dieses Recht in
sofern erweitert, als in gewissen Fällen (§§ 39 Nr. 2, 284, 362 Abs. 2) der Be-
hörde des Einzelstaates gestattet wird, die Ausländer aus dem ganzen Bundes-
gebiete auszuweisen ³);
b) der Ausländer ist von den staatsbürgerlichen Wahl- und Wähl-
barkeitsrechten, sowie von der Befähigung zur Erwerbung des Gemeinde-
bürgerrechts im Lande ausgeschlossen ⁴);
c) dem Ausländer steht eine Berechtigung zur Theilnahme an den verschiedenen
Einrichtungen des Staates an sich nicht zu, wenn auch thatsächlich von dem
in dieser Beziehung bestehenden Ausschließungsrechte — namentlich in Beziehung
auf die öffentlichen Lehr- und Bildungsanstalten — kein Gebrauch gemacht
wird ⁵). —
Andererseits unterliegen an sich die Ausländer auch nicht den öffentlich-
rechtlichen Pflichten der Staatsbürger, insbesondere der Wehrpflicht, der
Pflicht zur Uebernahme öffentlicher Ehrenämter, und den Leistungen für
das Heer im Krieg und Frieden, soweit letztere nicht auf dem Grundbesitze ruhen
oder ausnahmsweise durch Staatsvertrag auch auf Auswärtige erstreckt sind ⁶).
1) Ob einzelne dieser Freiheits- oder Grundrechte neben ihrer Eigenschaft als gesetzliche
Schranken für die Machtbefugnisse der Behörden zugleich selbständige subjective Rechte der Staats-
bürger begründen, läßt sich nicht, mit Laband, St. R., 2. Aufl. I 142 N. 1, Bornhak u. A.
absolut verneinen; es hängt vielmehr Alles davon ab, ob einzelne dieser Rechte nach der positiven
Gesetzgebung einen besonderen Rechtsschutz als öffentliche Individualrechte genießen; s. auch Jel-
linek a. a. O. S. 64 f., 74, 89 f. 96, 114.
2) Vgl. auch die R. G. G. v. 4. Mai 1868 § 4, v. 6. Febr. 1875 § 38, die R. G. O. § 12, das
G.K.G. 8 85.
3) Laband, I 144 N. 1. Diese Ausweisung wird durch das Zentr. Bl. d. D. R. bekannt
gemacht, Laband, I 190. Ueber den Vollzug der Ausweisung aus dem Reich vgl. die Bekanntm.
v. 10. Dez. 1890, Württ. R. Bl. 1891, S. 2 und M. E. v. 12. Juni 1891, A. Bl. M. d. J. S. 150,
und die M. E. v. 10. Jan. 1882 (a. a. O. S. 17) und v. 21. März 1888 (a. a. O. S. 118). Bezüglich
der Ausweisung und der Uebernahme Ausgewiesener gegenüber der österr.-ungarischen Monarchie
vgl. die Uebereinkunft der letzteren mit den Regierungen des D. R. v. 1875 im A.Bl. d. M. d. J.
S. 268 und die M.E. v. 15. Aug. 1879 (a. a. O. S. 291), v. 23. Jan. 1885 (a. a. O. S. 27), und
22. März 1890 (a. a. O. S. 85) und v. Seydel in Hirths Annalen 1890 S. 179 ff., 188 ff. (Es
gilt hier nur die Eisenacher Konvention v. 11. Juni 1853, nicht aber der Gothaer Vertrag v.
15. Juli 1851.)
4) Art. 6 des G.A.G. v. 1885.
5) Vgl. Gew.HO. § 12, R.G. v. 4. Mai 1868 § 4, R.Ehe-G. v. 1875 § 38 (und die Württ. M.Uf.
v. 17. April 1891 § 37, Nr. 7 (R. Bl. S. 76), G.K.G. 8 85.
6) S. z. B. den nachher angef. Staatsvertrag mit Spanien v. 12. Juli 1883 Art. 6.
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