Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

20 Dritter Abschnitt: Die natürlichen Grundlagen des Staats. II. Die Staatsangehörigen. § 4. 
Ausnahmsweise findet dagegen eine Gleichstellung der Ausländer und der Staats- 
angehörigen in Folge besonderer Rechtsnormen statt: 
α. Auf Grund von Staatsverträgen, namentlich Handelsverträgen, durch welche 
den Angehörigen der kontrahirenden Staaten gegen Uebernahme der den Einheimischen 
obliegenden Abgaben dieselben Rechte wie den Inländern bezüglich der Aufenthaltsfreiheit, 
des Gewerbebetriebs, der Theilnahme an den öffentlichen Einrichtungen eingeräumt werden. 
Es gehören hierher der Art. 11 des Frankf. Friedensvertr. v. 10. Mai 1871 ¹), der Nieder- 
lassungsvertr. zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz v. 31. Mai 1890, insbes. Art. 1 
u. 4 (Wohnungs- und Aufenthaltsrecht) ²), der Handelsvertr. des Deutschen Reichs mit Portugal v. 
2. März 1872 Art. 2, mit Persien v. 11. Juni 1873 Art. 4, mit Rumänien v. 14. Nov. 1877 
Art. 1, mit Tonga, Art. 6 (R.G.Bl. 1877 S. 520), mit dem Königreiche der Havaiischen Inseln 
v. 19. Sept. 1879 Art. 2, mit Oesterreich-Ungarn v. 6. Dez. 1891 Art. 13 f., 19, mit 
Costa Rica v. 18. Mai 1875 Art. 3, mit Belgien v. 22. Mai 1865/30. Mai 1881, Art. 1, 
mit Samoa Art. 6 (R.G. Bl. 1881 S. 31), mit Italien v. 4. Mai 1883 Art. 1—4, mit Mexiko 
v. 5. Dez. 1882 Art. 2, mit Spanien v. 12. Juli 1883 Art. 3 u. 28. Aug. 1886; mit der süd- 
afrikanischen Republik v. 22.Jan. 1885 (R.G.Bl. 1886 S. 209), mit Zanzibar v. 20. Dez. 1885 
(R. G. Bl. 1886 S. 261), mit der Türkei v. 26. Aug. 1890 (R.G.B. 1891 S. 118), mit Marokko 
v. 1. Juni 1890 (R.G.B. 1891 S. 378), mit Egypten v. 10. Juli 1892 (R.G.B. 1893 S. 17), 
mit Serbien v. 9. Aug. 1892 (R. G. B. 1893 S. 269), mit Rumänien v. 21. Okt. 1893 Art. 1 ff. 
(R.G.B. 1894 S. 2ff.), mit Rußland v. 10. Febr. 1894 Art. 1 ff. (R.G.B. S. 154 f.). Dem zwischen 
dem Nordd. Bund und den Ver. Staaten am 22. Febr. 1868 abgeschlossenen Naturalisations- 
vertrag entspricht der württembergische Vertrag v. 27. Juni 1868, jedoch mit den in dem Schluß- 
protokoll v. 27. Juli 1868 enthaltenen Erläuterungen und Zusätzen. 
Diese Gleichstellung erstreckt sich übrigens nicht auf die reichs-, staats- und gemeinde- 
bürgerlichen Wahl- und Wählbarkeitsrechte und auf die oben hervorgehobenen Pflichten der 
Staatsbürger. 
β. Außer den indirekten Abgaben sind die Ausländer in Württemberg gleich den 
Einheimischen zur Bezahlung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer (Ges. v. 28. April 
1873 Art. 3), der Wohnsteuer (G.A.G. v. 16. Juni 1885 Art. 22) und der Einkommen- 
steuer (Art. 2, Lit. b des Ges. v. 30. März 1872 u. Art. 2 des Ges. v. 19. Sept. 1852), 
ferner zur Leistung von Gemeindediensten nach Art. 47 des Gem. A.G., sowie zur Function 
in der Pflichtfeuerwehr nach Art. 14 des Ges. v. 7. Juni 1885 verpflichtet, da diese Lasten 
an das Wohnen in der Gemeinde, nicht an die Zugehörigkeit zu derselben geknüpft sind. 
2. Auf dem Gebiete des Privatrechts wie des Prozeßrechts gilt als Regel, daß 
die Fremden den Einheimischen durchaus gleichstehen ³). Ausnahmen gelten in Württemberg 
— abgesehen von den nicht hierher gehörigen Grundsätzen über die örtliche Kollision der 
Rechtsnormen — nur noch in Beziehung auf den Erwerb und Besitz von liegenden 
Gütern im Inlande durch Ausländer nach Art. 3 u. 5 des Ges. v. 1. März 1865 (sofern 
dieses Gesetz dem Ausländer, wenn er nicht in Württemberg wohnt, die Stellung eines tüch- 
tigen im Lande angesessenen Vertreters bezüglich der auf dem Grundeigenthum haftenden 
Lasten und Abgaben auferlegt ⁴), sowie im Falle der Retorsion ⁵). Dagegen ist die gabella 
  
1) Hier jedoch nur in Form der Klausel der Meistbegünstigung. 
2) Der württembergische Niederl.-Vertrag v. 18. März 1869 ist schon durch den Vertrag des 
Reichs v. 27. April 1876 Art. 3 ff. augehoben: Vgl. auch das Zusatz-Pr. v. 21. Dez. 1881 (R. Bl. 
1882 S. 28) und M. E. v. 27. Sept. 1888 (A.Bl. 288). 
3) Vgl. hierüber Mandry, der civilr. Inh. der Reichsgesetze. 3. Aufl. S. 41 f., 45—48. 
4) Vgl. Mandry a. a. O. S. 45 N 8 u. 10. 
5) Ueber das bisherige Recht s. Wächter, württ. Priv. R. II S. 82, Mandry a. a. O. 
S. 46 zu N. 15 und in Beziehung auf das jetzt geltende Reichsrecht: Gaupp: C. Pr.O. I S. 13 zu N. 69 
u. 70 u. R.G. Entsch. v. 11. April 1892, wonach die deutschen Gerichte im Allgemeinen, d. h. in 
Ermanglung besonderer Gesetzesvorschriften, wie sie im Markenschutzges. § 20, C. Pr. O. §§ 102, 106, 
661 Nr. 5, K.O. §§ 4, 207, 208 enthalten, zur Anwendung des Vergeltungsrechts nicht berechtigt 
sind; s. Jahrb. d. Württ. Rechtspfl. V S. 201 f.
	        
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