8 95. Die Pflege der Landwirthschaft und der Viehzucht. 335
berechtigten Mehrheit der belasteten Markungsgenossen, wenn von diesen die Ablösung unter-
nommen worden ). Der Ertrag der in diesen beiden Fällen eingeführten Gemeindeweide
fällt der Gemeindekasse zu, welche dagegen die auf die Erwerbung, Einrichtung und den
Betrieb verwendeten Kosten zu tragen hat. In Theilgemeinden, welche keine Gemeindekasse
haben, treten an deren Stelle die Grundeigenthümer nach Verhältniß des Umfangs ihrer
der Gemeindeweide unterworfenen Güter ). — Der Gemeinderath ist verpflichtet, die bestehende
Gemeindeweide aufzuheben oder einzuschränken, wenn drei Viertheile der Besitzer der
gesammten der Gemeindeweide unterliegenden Fläche es verlangen und deren Antheil an
Letzterer mehr als zwei Dritttheile beträgt. Wird auf diese Weise eine bisher für die
Gemeindekasse verpachtete Gemeindeweide auf dem Privateigenthum der Markungsgenossen
ganz oder theilweise aufgehoben, so sind die Gemeindekollegien berechtigt, zur Entschädigung
der Gemeinde für ihre erweislich auf die Erwerbung oder Einrichtung der Weide ver-
wendeten Auslagen auf die freigewordenen Grundstücke ein dem bisherigen Weideertrag
entsprechendes Weideer satzgeld nach dem örtlichen Grundsteuerfuß insolange umzu-
legen, bis der Ersatz jener Auslagen bewirkt ist. Auch ohne einen solchen Antrag der
Güterbesitzer kann von den Gemeindekollegien eine Gemeindeweide beschränkt oder aufgehoben
werden, nur sind dann die Gemeindekollegien zu einer solchen Umlage auf die bisher weide-
pflichtigen Grundstücke nicht berechtigt, sofern nicht die oben angegebene Mehrheit der Be-
sitzer dieser Grundstücke ihre Zustimmung dazu gibt #).
Das Weiderecht der Wanderschafheerden ist aufgehoben. Wenn ferner eine
Schafherde aus irgend einer Ursache von einem Ort zum andern zieht, so muß der Führer
der Heerde mit einer Wanderurkunde nach Maßgabe der Art. 25 und 26 des
Weide Ges. versehen sein. Diese hat für Schafheerden, welche vor der Wanderung sich in
Württemberg aufgehalten haben, der Ortsvorsteher des Orts, von welchem die Heerde aus-
fährt, auf Grund einer Erklärung des Eigenthümers bezw. Führers der Heerde über deren
Gesundheitszustand auszustellen"). — Die Wanderurkunde einer nicht württembergischen
Polizeibehörde gilt für das Wandern einer Schafheerde in Württemberg nicht, vielmehr
hat sich der Führer einer einziehenden Heerde in der ersten württembergischen Gemeinde,
durch welche er kommt, vom Ortsvorsteher eine Wanderurkunde nach landesrechtlichen Vor-
schriften ausstellen zu lassen?).
Weitere Vorschriften über das Biehhüten und über den Schutz gegen
Weideschaden enthalten die Art. 31—35, über die Strafen wegen Verfehlung gegen
das Weide Ges. die Art. 84 u. 855) des angeführten Gesetzes. Gemeinden und Privat
personen haben hiernach für die Weideexzesse der von ihnen aufsgestellten Hirten sowohl
bezüglich der verwirkten Geldstrafen als auch der Entschädigungen und Kosten zu haften.
4. Die Abwehr von Viehseuchen:
a) Maßregeln gegen die Rinderpest. Hierüber gilt in Württemberg aus-
schließlich die Reichsgesetzgebung?).
1) A. a. O. Art. 15 u. 16, vgl. m. Art. 43 Lit. a.
2) Art. 17.
3) Vgl. im Uebrigen die Art. 18—22 a. a. O.
4) Vgl. Vollz. V. § 8 u. Min. V. v. 17. Mai 1882 (R. Bl. S. 198).
5) W. G. Art. 27, s. auch ebend. Art. 28—30 über die polizeiliche Kontrolle der Wander-
herden u. über das Treiben der Schafherden bei Nacht.
6) Vgl. auch Art. 25 Abs. 2. "
7) S. das R G. v. 7. April 1869 u. das Einf.G. v. 2. Nov. 1871, sowie die Instruktion
des Bundesraths v. 9. Juni 1873, ferner das R.G. v. 21. Mai 1878 betr. d. Zuwiderhandlungen gegen
die zur Abwehr der Ninderpest erlassenen Vieheinfuhrverbote, das R. Str. G.B. § 328, und für Württem-
berg die Vollz.V. v. 23. Febr. 1872 (R. Bl. S. 59), sowie die Min. Erl. v. 8. Sept. 1873, 9. Juni
1883 u. das P. Str. G. v. 1871 Art. 25 Z. 83 (s. Schicker S. 41). Im Uebrigen s. Dammann
im W. f. d. V.R., II S. 810 ff.