Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

22 Dritter Abschnitt: Die natürlichen Grundlagen des Staats. II. Die Staatsangehörigen. § 5. 
vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörig- 
keit und vom 6. Juni 1870 und 12. März 1894 über den Unterstützungswohnsitz beseitigt. 
Die Erwerbung und der Verlust der Staatsangehörigkeit, welche die Voraussetzung für die 
Reichsangehörigkeit bildet, wird jetzt ausschließlich durch das Reichsrecht bestimmt. 
Maßgebend ist das R.G. v. 1. Juni 1870 ¹), welches in Württemberg mit dem 
1. Jan. 1871 in Geltung getreten ist ²). Hiernach ist jeder Staatsangehörige als solcher von 
Rechtswegen auch Reichsbürger. Dagegen kann Niemand Reichsangehöriger sein, ohne einem 
deutschen Einzelstaat anzugehören ³). Wer daher die Staatsangehörigkeit im deutschen Reich 
verloren hat, hört damit von selbst auf, Reichsangehöriger zu sein: ein Vorbehalt der Reichs- 
angehörigkeit ist ausgeschlossen. Dagegen bleibt die Reichsangehörigkeit unverändert, wenn 
auch die Staatsangehörigkeit durch Uebersiedelung in einen andern deutschen Staat 
wechselt. Jeder Angehörige eines deutschen Staats kann daher in jedem andern deutschen 
Staate, in welchem er seine Niederlassung bewirkt, die Aufnahme als Staatsbürger ver- 
langen; und es kann also Jemand gleichzeitig mehreren deutschen Staaten als 
Staatsbürger angehören ⁴). Das Gemeindebürgerrecht in einem Einzelstaat, bezw. dessen 
Zusicherung, bildet jetzt nicht mehr — wie z. B. früher in Württemberg — die Bedingung für 
den Erwerb des Staatsbürgerrechts. Die Staatsangehörigkeit wird nämlich nach Reichsrecht: 
I. Erworben. A. auf Grund familienrechtlicher Verhältnisse: 
1. durch Geburt; und zwar erwerben eheliche Kinder eines Deutschen die Staats- 
angehörigkeit des Vaters, uneheliche die Staatsangehörigkeit der Mutter. Wo die 
Geburt erfolgt, ist gleichgültig; sollten auch die Eltern einen Wohnsitz außerhalb 
des Heimathstaats begründet haben ⁵); 
2. durch Legitimation eines unehelichen Kindes seitens eines Deutschen erwirbt 
das uneheliche Kind die Staatsangehörigkeit des Vaters und verliert gleichzeitig 
seine bisherige Staatsangehörigkeit ⁶), sofern die Legitimation den gesetzlichen Be- 
stimmungen gemäß erfolgt ist. Die Adoption bewirkt den Erwerb der Staats- 
angehörigkeit nicht; 
3. die Verheirathung mit einem Deutschen begründet für die Ehefrau die Staats- 
angehörigkeit des Mannes ⁷). 
B. durch Verleihung. Diese ist ein in der Form eines publicistischen Rechtsgeschäfts 
sich vollziehender Verwaltungsakt, zu dessen Vornahme die höhere Verwaltungsbe- 
hörde, in Württemberg die Kreisregierung zuständig ist ⁸). Dieses Rechtsgeschäft ist ein 
1) S. Laband, R. St. R., I S. 125 ff. und die hier N. 1 cit. Litt., in diesem Hdb. S. 30 ff. 
und Cahn, Das R. G. v. 1. Juni 1870 (1889). 
2) Vgl. auch das R. G. v. 22. April 1871 § 9. 
3) Eine Ausnahme besteht nur für die Ausländer, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, 
sowie für die Eingeborenen dieser Gebiete, indem diesen nach § 6 des R.G. v. 15. März 1888 die Reichs- 
angehörigkeit vom Reichskanzler oder von einem seitens des letzteren ermächtigten Beamten ertheilt werden 
kann, so daß hier ausnahmsweise durch die Naturalisation eine unmittelbare Reichsangehörigkeit entsteht. 
4) S. d. angef. R.G. v. 1. Juni 1870, §§ 1 u. 7 und Laband, R. St.R., I S. 129f., 
in diesem Hdb. S. 31. 
5) Für die Beurtheilung der Frage, ob ein Kind aus einer giltigen Ehe entsprossen oder 
nicht, ob es also der Staatsangehörigkeit des Vaters oder der Mutter folgt, sind die Grundsätze 
über die örtliche Herrschaft der Rechtsnormen maßgebend; s. Laband, R. St. R. I 156 N. 1 u. 
v. Bar, Intern. Privatr. I 440 ff., über weitere Fragen s. Laband a. a. O. 
6) S. das angef. R.G. §§ 4 u. 13 Nr. 4. Entscheidend sind die Gesetze des Orts, wo der 
Vater zur Zeit der Legitimation seinen Wohnsitz hat. In Württemberg steht in Beziehung auf 
diese Wirkung die Legitimation durch Rescript der Legitimation durch nachfolgende Ehe gleich; s. 
Lang, Wurtt. Pers. R. § 77. 
7) §5 des angef. R. G. 
8) Die etwa erforderlichen Instructionshandlungen (Entgegennahme von Gesuchen, protokol- 
larische Vernehmungen ꝛc.) sind in Württemberg dem Oberamt, in dessen Bezirk die Niederlassung 
erfolgen soll, übertragen. 

	        
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