§ 5. Der Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. 23
zweiseitiges und wird dadurch abgeschlossen, daß die Kreisregierung auf Grund eines an sie
gerichteten Gesuches eine Urkunde über die Aufnahme ausfertigt und diese dem Aufzunehmen-
den aushändigt. Das Geschäft wird perfekt durch die Entgegennahme der Urkunde seitens des
aufzunehmenden Bürgers ¹). — Die Verleihung erstreckt sich, soweit dabei nicht eine besondere
Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch unter familienrechtlicher
Gewalt stehenden minderjährigen Kinder (§ 11 a. a. O.). Im Uebrigen ist zu unterscheiden:
1. die Aufnahme, wenn ein Angehöriger eines andern deutschen Bundesstaates die
Verleihung verlangt. Die Aufnahme darf nicht verweigert werden, wenn der Gesuch-
steller den Nachweis führt, daß er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nach-
sucht, sich niedergelassen habe ²), wofern kein Grund vorliegt, welcher nach den §§ 2—5 des
F.G. (s. u. S. 32) die Abweisung eines Neuanziehenden, oder die Versagung der Fortsetzung
des Aufenthalts rechtfertigt (§ 7 a. a. O. ³), sie erfolgt gebührenfrei (s. u. S. 24 N. 4);
2. die Naturalisation, wenn ein Ausländer die Verleihung der Staatsange-
hörigkeit beantragt. Diese darf nur ertheilt werden ⁴), wenn folgende Voraussetzungen
zusammentreffen:
a. Dispositionsfähigkeit des Aufzunehmenden nach dem Rechte seiner bisherigen Heimath,
oder im Fall des Mangels: Zustimmung des Vaters, Vormundes oder Kurators ⁵):
b. seither unbescholtener Lebenswandel;
c. eigene Wohnung oder ein Unterkommen an dem Orte der beabsichtigten Nieder-
lassung;
d. die Fähigkeit, an diesem Orte nach den daselbst bestehenden Verhältnissen sich und
seine Angehörigen zu ernähren.
Das Vorliegen dieser vier Voraussetzungen hat der Aufzunehmende zu erweisen; bevor
jedoch die Verwaltungsbehörde die Naturalisationsurkunde ertheilt, hat sie die Gemeinde, be-
ziehungsweise den Armenverband desjenigen Orts, wo der Aufzunehmende sich niederlassen
will, in Beziehung auf die Erfordernisse unter b. c. d. mit ihrer Erklärung zu hören ⁶). Die
Entscheidung erfolgt ohne kontradictorisches Verfahren durch Beschluß. Uebrigens besteht,
auch wenn die reichsgesetzlich verlangten Bedingungen sämmtlich vorliegen, eine Verpflichtung
der einzelnen Landesregierungen zur Ertheilung der Naturalisation nicht. Diese können
vielmehr die Voraussetzungen der Aufnahme durch particuläre Rechtsnormen, insbesondere
Verwaltungsvorschriften erschweren. Nur könnten solche leicht dadurch umgangen werden,
daß der Aufzunehmende seine Naturalisation in einem andern Staate erlangt und dann als
Reichsbürger die Aufnahme in das württembergische Staatsbür gerrecht verlangt ⁷). In
1) S. Laband, R. St. R. I S. 157 zu N. 5 und Jellinek a. a. O. S. 199 ff. und das
angef. R.G. §§ 6, 9, 14, 20. Die Aushändigung kann nach den allgemeinen Grundsätzen
über die Insinuation obrigkeitlicher Verfügungen auch an die Angehörigen oder an legitimirte Be-
vollmächtige des Aufzunehmenden erfolgen. Erl. d. M. d. J. v. 7. Febr. 1883 bei Reger,
Entsch. III 333.
2) Darüber, daß die Einzelstaaten auch ohne Niederlassung im Lande die Aufnahme ertheilen
können; s. Seydel, B. St.R. I 530 N. 3 und Laband, I S. 158 N. 5.
3) Gegen die Verweigerung der Aufnahme findet in Württemberg zunächst die Verwaltungs-
beschwerde an das Ministerium des Innern, und gegen die Entscheidung des letzteren die Rechts-
beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 13 u. 59 des Ges. v. 16. Dez. 1876 statt, s.
auch Sarwey, Das öffentl. Recht, S. 455.
4) Eine Dispensation von einem dieser reichsgesetzlichen Erfordernisse ist nicht zulässig, da
die Naturalisation in einem Bundesstaate das Recht auf Aufnahme in jedem andern Bundesstaate
begründet. Ein Irrthum bei der Feststellung der thatsächlichen Voraussetzungen berechtigt nicht zur
nachträglichen Aufhebung der Entscheidung.
5) Ob diese nach dem Heimathsrechte des Ausländers giltig ertheilt werden darf, ist für die
Naturalistion im Inlande gleichgiltig; ; s. Laband, R.St. R. I S. 161 N. 1.
6. § 8 Abs. 2a. a. O.
7) Eine Rechtsbeschwerde (s. oben N. 3) gegen die Verweigerung der Naturalisation findet
daher nicht statt: s. d. Ges. über d. Verw. Rechtspfl. v. 16. Dez. 1876, Art. 13 Abs. 2.