Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

356 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. § 100. 
faßt auch fernerhin unter der Erhaltung der Sonntagsruhe nicht blos die Fernhaltung 
von störendem Geräusch, sondern auch der gewöhnlichen Arbeit und Beschäftigung des 
Werktags. Demgemäß stehen nach § 1055 der Gew.O. in ihrer neuesten Fassung die 
Bestimmungen der Gew.O. weitergehenden landesgesetzlichen Beschränkungen der Arbeiten 
an Sonn= und Festtagen nicht entgegen. Andererseits ist den Landeszentralbehörden 
(in Württemberg dem Ministerium des Innern) vorbehalten, für einzelne Festtage, 
welche nicht auf einen Sonntag fallen, Abweichungen von der Vorschrift des § 1051) 
Abs. 1 der Gew.O. zu gestatten; auf das Weihnachts-, Neujahrs-, Oster-, Himmel- 
fahrts= und Pfingstfest findet dies jedoch keine Anwendung. 
Die neben der R.Gew.O. geltenden landesrechtlichen Vorschriften über die bürger- 
liche Feier der Sonn-, Fest= und Feiertage sind für Württemberg enthalten in der 
Königl. V.O. v. 27. Dez. 18712). Hiernach ist u. A. während des Vor= u. Nach- 
mittags-Hauptgottesdienstes untersagt: alles lärmende Zechen und Spielen und sonstige 
geräuschvolle Belustigungen in Wirthschaften, alles Lärmen in den Straßen des 
Orts, besonders in der Nähe der Kirchen, das Auf= und Abladen von Waaren auf 
Straßen und öffentlichen Plätzen, das Verführen von Waaren aus den Transport- 
anstalten in die Häuser und zu den Transportanstalten, dringende Fälle ausgenommen, 
der Transport von Vieh durch die Ortschaften 3). Auch das Jagen ist an Feiertagen 
während des Vormittagsgottesdienstes, an Sonn= und Festtagen aber in Württemberg 
ganz verboten ). Blos während des vormittägigen Hauptgottesdienstes ist an den oben 
(S. 355 N. 4) genannten Sonn= und Festtagen das Aufstellen und Aushängen von Waaren 
außerhalb der Verkaufslokale 5), das Mahlen in nicht einsam stehenden Getreidemühlen, 
das Austreiben von Vieh zur Weide untersagt; ebenso sind öffentliche Aufzüge und 
öffentliche Versammlungen während des Vormittags-Hauptgottesdienstes, gemeinsame 
Waffen-, Feuerwehr= und ähnliche Uebungen auch eine halbe Stunde zuvor schon ver- 
boten. Am Christfest, Palmsonntag, Charfreitag, Oster= und Pfingstsonntag, am 1. 
Adventssonntag, am evangelischen Landesbußtag — in katholischen Orten an Fronleich- 
nam und Mariä Himmelfahrt — sind solche Uebungen, sowie öffentliche Schauspiele 
und Vorstellungen, Scheiben= und Vogelschießen und andere öffentliche Lustbarkeiten mit 
Ausnahme von Konzerten und Vorstellungen an stehenden Theatern gänzlich verboten. 
Während der Karwoche sind auch Theatervorstellungen an stehenden Theatern und alle 
anderen öffentlichen Lustbarkeiten untersagt . 
An andern als an den in § 1 der V.O. (s. o.) genannten Festtagen sowie an 
bloßen Feiertagen ist das Arbeiten gestattet, auch finden die übrigen Beschränkungen der 
Verordnung auf diese Tage, soweit sie nicht in die Karwoche fallen, keine Anwendung; 
es ist jedoch auch hier jedes den vormittägigen Hauptgottesdienst störende Geräusch in 
der Nähe der Kirche zu vermeiden?. 
An konfessionell gemischten Orten sind, soweit nicht eine besondere Vereinbarung 
oder ein Herkommen etwas Anderes bestimmt, da wo Evangelische und Katholiken regel- 
  
1) Zur Zeit noch nicht in Kraft getreten (s. o.). 
2) Vgl. auch den angef. Min. Erl. v. 16. April 1892. Einzelne dieser Anordnungen sind 
jetzt durch die theilweise weitergehenden Bestimmungen der Gew. Nov. v. 1. Juni 1891 ersetzt oder 
werden es doch durch das Inkrafttreten der letzteren und die noch in Aussicht stehende Verf. des 
Bundesraths hierzu. 3) § 3 a. a. O. 
4) Art. 12 des Jagd G. v. 27. Okt. 1855. 
5) Die Bestimmung über das Schließen der Verkaufsstellen selbst ist jetzt durch die weiter- 
gehende Vorschrift des § 41 a der Gew. O. gedeckt. 
6) A. a. O. §§ 3—8 u. Str.G.B. 8 366 Z. 1. 
7) A. a. O. § 11.
	        
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