364 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltg. III. Die Verwaltg. d. Kirchen= u. Schulwesens. § 103.
f) Die drei Staatswaisenhäuser, als Erziehungs= und Unterrichtsanstalten für
vermögenslose Waisen im Alter von 7—14 Jahren und für verwahrloste Kinder; und zwar in
Stuttgart für evangelische Knaben, in Markgröningen für evangelische Mädchen, in Ochsenhausen
für katholische Knaben und Mädchen ?.
Die Taubstummen= und Blindenanstalt zu Gmünd (s. das Statut v. 28. Jan.
1823) und die Taubstummenschulen zu Eßlingen und Nürtingen, diese letzteren in Ver-
bindung mit den Schullehrerseminarien daselbst?).
Die nächste Aufsichtsbehörde über diese Anstalten (f) ist die dem Ministerium des Kirchen-
und Schulwesens unmittelbar untergeordnete Kommission für die Erziehungs-
häuser, welche zugleich über die Aufnahme der Zöglinge zu entscheiden, ihre Erziehung und
ihren Unterricht, die innere Ordnung und Polizei, sowie die Vermögensverwaltung der Anstalten
zu leiten hat 5).
§ 103. B. Die höheren Lehranstalten"). I. Für die männliche Jugend. Diese
Anstalten werden in Württemberg unter dem gemeinsamen Namen der „Gelehrten= und
Realschulen“ begriffen. Ihre Aufgabe ist, den Schülern eine über das Maß der
Elementarkenntnisse hinausgehende allgemeine Bildung zu gewähren. Ein Schulzwang
findet bei denselben nicht statt. Die meisten dieser Schulen sind ausschließlich Staats-
anstalten; ein Theil derselben beruht auf älteren Schulstiftungen oder wird ohne gesetz-
lichen Zwang von den Gemeinden, übrigens unter Beihilfe von Staatsbeiträgen, welche
im Etat verabschiedet werden, unterhalten. Die Ernennung der Lehrer erfolgt durch den
Staat; in den seltenen Fällen, in welchen Standesherren oder Gemeinden aus einem
privatrechtlichen Titel ein Ernennungsrecht haben, steht der Staatsgewalt die Bestätigung zu.
Zur Beaussichtigung des gesammten Gelehrten= und Realschulwesens besteht zufolge
der Königl. V. O. vom 2. Oktober 1866 bei dem Ministerium des Kirchen- und Schul-
wesens eine besondere Sektion unter der Bezeichnung „Abtheilung für Gelehrten-
und Realschulen". Die wichtigeren Gegenstände werden von dem Staatsminister selbst
auf Grund der unter seinem Vorsitz stattfindenden Kollegial-Berathungen oder im Büreau-
wege auf Vortrag des Referenten, die übrigen Angelegenheiten aber von dem Abtheilungs-
vorstande im Büreauwege oder kollegialisch erledigt. Dieser Abtheilung sind unterstellt:
a) die evangelisch-theologischen Seminarienh) und zwar:
#) die (4) sog. niederen Seminarien, zur Vorbereitung der dem evang.-geistlichen
Stande gewidmeten Jünglinge (vom 14.—18. Lebensjahr) für das Universitätsstudium bestimmt.
Die Zöglinge werden nach erstandener Aufnahmeprüfung 4 Jahre lang auf Kosten des Staates
verpflegt und unterrichtet;
6) das evangelisch-theologische Seminar zu Tübingen für das Studium
der evang. Theologie ). Dasselbe ist mit Einschluß des philos. Lehrkurses auf 4 Jahre, für
diejenigen aber, welche innerhalb dieser Zeit dem Militärdienste zu genügen haben, auf 5 Jahre
berechnet und gewährt freie Verpflegung und wissenschaftliche Ausbildung. Einer dem Bedürf-
nisse des Lehrdienstes entsprechenden Zahl von 5—7 Zöglingen wird gestattet, sich in der Anstalt
auf ein höheres humanistisches oder realistisches Lehramt vorzubereiten?).
Durch die Aufnahme in eines dieser Seminarien wird der Stipendiat verpflichtet, sich
dem evangelisch-geistlichen Stande zu widmen, sich zum Dienste der württemberg. Kirche oder
Schule ordnungsmäßig verwenden zu lassen und ohne Königl. Erlaubniß nicht in fremde Dienste
1) Vgl. auch Mohl, II S. 372 Note 6—8 und dazu die V.O. v. 17. März 1841 und
die Verf. v. 5. Okt. 1853. Staats Hdb. S. 709, Riecke a. a. O. S. 267.
2) Mohl a. a. O. Note 9 u. 10. StaatsHdb. S. 709. Riecke S. 267.
3) StaatsHdb. S. 709.
4) Vgl. G. Meyer, Deutsches Verw. R. S. 238.
5) Ueber diese seit der Reformation bestehenden Anstalten s. Mohl, II S. 412 Note 7—9
Riecke, Verf. S. 245 f., 260 f., Staats Hdb. S. 707. Bezüglich der kathol. Konvikte f. u. S. 386 f.
6) Nur mit Rücksicht auf die Stellung zur Aufsichtsbehörde hier erwähnt; dasselbe gehört
im Uebrigen zu D. 1.
7) M.V. v. 6. Mai 1886.