372 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltg. III. Die Verwaltg. d. Kirchen- u. Schulwesens. 8107.
Regiment durch den Landesherrn und die von ihm eingesetzten Behörden ausgeübt. Als solche
bestanden das Konsistorium und — in dessen Verstärkung durch vier Generalsuperintendenten —
„der Synodus“, sowie der mit der Verwaltung und Vertretung des Kirchenvermögens beauf-
tragte Kirchenrath. Diese Behörden standen sämmtlich unter dem Geheimen Rathe. Die kirch-
liche Organisation bildete einen Theil der staatlichen. Die Stände überwachten die Erhaltung
der evangelischen Konfession und des evangelischen Kirchenguts als einen Bestandtheil der ge-
sammten Staatsverwaltung. Es bestand völlige Einheit von Staat und Kirche. Als dann in
der Folge — während der Jahre 1733—1797 katholische Landesherren zur Regierung kamen,
wurde nach Maßgabe der sog. Religionsreversalien 1) das Kirchenregiment auf den Geheimen
Rath, welcher nur aus evangelischen Mitgliedern bestehen konnte, durch eine „commissio perpetua“
dergestalt übertragen, daß derselbe alle und jede die evangelische Religion, das Kirchen- und
dahin einschlagende Oekonomie= und Polizeiwesen betreffenden Angelegenheiten allein und ohne
Anfrage zu besorgen hatte. In allen kirchlichen Angelegenheiten war der direkte Verkehr zwischen
den Landständen und den fürstlichen Kollegien vorgeschrieben; letztere sowie die Gesandtschaften
— namentlich beim corpus Evangelicorum — hatten in solchen Angelegenheiten nur an den
Geheimen Rath zu berichten und dessen Bescheide entgegenzunehmen. Die ausschließliche Geltung
der evangelisch-lutherischen Konfession als Landesreligion, die Besetzung aller Aemter mit Prote-
stanten blieb bestehen ). Der Landesherr selbst war in der Ausübung des katholischen Kultus
auf die Hausandacht in der Hofkapelle beschränkt ).
2. Eine wesentliche Aenderung dieses Zustandes trat durch die Erwerbung katholischer
Landestheile seit 1803 und die Vereinigung derselben mit dem früheren Herzogthume seit
1806 ein. Durch das Religionsedikt vom 14. Febr. 1803 (für Neuwürttemberg) und später durch
das allgemeine Religionsedikt vom 15. Okt. 1806 wurde die völlige Gleichberechtigung der drei
christlichen Bekenntnisse ausgesprochen und anerkannt, daß jede christliche Kirche gleichen Anspruch
auf den Königl. Schutz habe.
Eine sofortige Regelung der kirchlichen Organisation der katholischen Landestheile,
welche fünf verschiedenen Diöcesen (Konstanz, Augsburg, Würzburg, Worms und Speyer) an-
gehörten, war jedoch bei den damaligen Verhältnissen nicht möglich; dagegen wurden inzwischen
die Beziehungen zur katholischen Kirche bei Festhaltung an der größten religiösen Toleranz —
im Sinne der unbedingten Herrschaft des Staates über die Kirche als Staatsanstalt — normirt.
Zunächst wurde von der Regierung „als Emanation der Landeshoheit“ die Besetzung aller Kirchen-
stellen, soweit nicht Auswärtigen oder Territorialbesitzern ein Patronatrecht als besonderes welt-
liches Recht zustehe, für den Landesherrn in Anspruch genommen (sog. Landesherrliches Patro-
nat). Zur Ausübung der Hoheitsrechte des Staates wurde eine besondere Behörde, der geistliche
Rath, später „katholische Kirchenrath“ eingesetzt.
Für die protestantische Kirche blieb, nachdem seit 1797 wieder protestantische
Fürsten zur Regierung gelangt waren, im Wesentlichen der Rechtszustand bestehen, wie er vor
1733 sich entwickelt hatte. Der Landesherr vereinigte wieder mit seiner Stellung als Staats-
oberhaupt die oberste kirchliche Gewalt als Landesbischof. Die wichtigste Aenderung ihrer Rechts-
stellung lag für die evangelische Kirche — neben der Gleichstellung der drei christlichen Konfes-
sionen — in der durch General-Rescript vom 2. Jan. 1806 verfügten Vereinigung des evan-
gelischen Kirchenguts der alten Lande mit dem Staatskammergute, wobei alle auf demselben
ruhenden Verbindlichkeiten für Kirchen-, Schul= und Armenanstalten auf den Staat übernommen
wurden.
Ueber das altwürttemberg. evangelische Kirchengut, zu welchem auch die Lokalpfarr=
dotationen gehörten, vgl Riecke, Verf. S. 220—228 u. die Geschichte der württemberg.
Verf. v. Fricker und Geßler S. 63 ff., 93ff. Was das katholische Kirchenvermögen be-
trifft, so waren bei den Säkularisationen des Jahres 1803 die lokalen Pfarrdotationen un-
berührt geblieben, wogegen das übrige Vermögen nach § 35 des R. Dep.H. Schlusses mit
der Verpflichtung, für die allgemeinen Bedürfnisse der katholischen Kirche zu sorgen, der
1) Diese Reversalien, welche sich an den Vorgang von Chursachsen anschlossen, bestehen in
acht Urkunden aus den Jahren 1729—1795. Die drei letzten vom 23. März 1743, 27. Okt. 1793
und 10. Dez. 1795 wie der Erbvergleich von 1770 enthalten nur Bestätigungen der früheren Rever-
salien; diese finden sich vollständig abgedruckt in den „Württemberg. Relig. Urkunden“ 1741 Folio;
vgl. auch Reyscher, Staats Grundges. II S. 460 ff. Kirchenges. I S. 632 f.; Mohl, II S. 456.
2) Dem Herzoge stand nur die Ernennung der Geistlichen aus einer ihm vorgelegten Liste
von drei Kandidaten zu.
3) S. im Uebrigen auch noch den Erbvergl. v. 27. Febr. 1770 Cl. II §8 4, 10 ff.