Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

386 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltg. III. Die Verwaltg. d. Kirchen= u. Schulwesens. § 110. 
Normen über Repressivmaßregeln im Falle des Ungehorsams der kirchlichen Behörden enthält 
das Gesetz nicht 7. 
Abgesehen von den Vorschriften über das Placet ist der Verkehr mit den kirchlichen Obern 
von Staatswegen nicht gehindert. Auch ist dem Bischof ein unmittelbarer Verkehr mit den 
Königl. Behörden in der Weise gestattet, daß er keine Befehle oder Weisungen an sie erläßt. 
b) Die Verleihung von kirchlichen Aemtern. Das bis zum Konkordat 
in Anspruch genommene Ernennungsrecht des Staates zu den katholischen Kirchenstellen 
wurde durch Art. 2 des Kirchen Gesetzes insoweit aufgehoben, als dasselbe nicht auf beson- 
deren Rechtstiteln, wie namentlich dem Patronat, beruht. Damit fiel diese Befugniß kraft 
des kanonischen Rechts an den Bischof zurück, welcher bis zum Jahre 1858 (da die Königl. 
V. O. vom 1. März 1853 nicht ins Leben trat) keine einzige Kirchenstelle zu besetzen 
gehabt hatte. Die vormaligen Patronatrechte der Gemeinden und Stiftungen sind mit 
dem Patronat der Krone vereinigt worden. Zugleich wurden die Rechtsgrundsätze gesetzlich 
sanktionirt, nach welchen s. Z. in Verbindung mit dem Konkordat auf Grund einer beson- 
deren Verständigung zwischen der Kurie und der Staatsregierung (vom 14. April 1857 
und 9. März 1858) die Ausscheidung der Pfründen des Königl. Patronats und der bischöf- 
lichen Kollatur vollzogen worden war . 
Auf die Anstellung von Geistlichen bei den Militär= und den öffentlichen Anstalten 
findet die bischöfliche Kollatur keine Anwendung; vielmehr kommt die Ernennung dieser 
Geistlichen dem Staate zu, wobei jedoch die Ertheilung der kirchlichen Mission für den 
Religionsunterricht Sache des Bischofs ist. 
Soweit die Ernennung der Geistlichen durch die kirchlichen Behörden erfolgt, müssen 
die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften für die Zulassung zu einem Kirchen- 
amte beobachtet werden. Die Zulassung ist nämlich bedingt durch den Besitz des württemb. 
Staatsbürgerrechts und durch den Nachweis einer vom Staate für entsprechend erkannten 
wissenschaftlichen Vorbildung. Auch können Kirchenämter, welche nicht von der Staats- 
regierung selbst abhbängen, — abgesehen von den besonderen Bestimmungen über die Be- 
setzung des bischöflichen Stuhles, der Kanonikate und der Domkaplaneien — nur an solche 
verliehen werden, welche nicht von der Staatsregierung unter Anführung von Thatsachen als 
ihr in bürgerlicher oder politischer Beziehung mißfällig erklärt werden, wobei die Entschei- 
dung darüber, ob genügende Gründe zur Ausschließung vorliegen, nur der Staatsgewalt 
zukommt. (Art. 2—4) 5). 
c) Die Anstalten für die Heranbildung der Geistlichen. Es bestehen 
in Württemberg seit 1824 zwei niedere Konvikte in Ehingen und Rottweil in Ver- 
bindung mit den dortigen Staatsgymnasien, und in Tübingen — seit 1818 — ein 
höheres Konvikt im Zusammenhange mit der katholisch-theologischen Fakultät. Dieselben 
  
1) Bekanntlich wurden die vatikanischen Dekrete in Württemberg ohne vorherige Genehmigung 
der Staatsgewalt publizirt, auch von letzterer gegen die Kirchenbehörde nicht eingeschritten; man 
begnügte sich vielmehr mit der Publikation einer Königl. Entschließung v. 18./20. April 1871, nach 
welcher die Regierung „den Beschlüssen des vatikanischen Konzils, wie solche in den dogmatischen 
Konstitutionen v. 24. April und 18. Juni 1870 zusammengefaßt sind, insbesondere dem Dogma 
von der Unfehlbarkeit des Papstes keinerlei Rechtswirkung auf staatliche oder bürgerliche Verhält- 
nisse zugesteht". Sarwey (II S. 423) will in dieser Bekanntmachung eine „Anwendung" des 
Placet finden; s. dagegen Gaupp, die neuesten Bearbeitungen 2c. S. 25. 
2) Vgl. die M. V v. 9. März 1858 und die Bekanntm. v. 17. März 1875. Nach jener 
Ausscheidung verblieben im Königl. Patronate 318 Pfründen unbeschränkt, 5 alternirend, 3 beschränkt, 
wogegen in die freie bischöfliche Kollatur übergingen: 178 Pfründen ausschließlich und 22 alter- 
nirend. In Württemberg kann hiernach, auch ganz abgesehen von dem Rechte der Einsprache gegen- 
über der Ernennung durch den Bischof, die Staatsgewalt direkt einen großen Einfluß auf die Be- 
setzung der Kirchenstellen ausüben. 
3) Vgl. auch Golt her a. a. O. S. 2793 ff.
	        
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