8112. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. 393
zur Staatsgewalt bestehen, abgesehen von den Vorschriften des Ges. vom 9. April 1872
über die religiösen Dissidentenvereine, keine besonderen Bestimmungen. Nach letzterem
Gesetze ist die Bildung religiöser Vereine außerhalb der vom Staate als öffentliche Körper-
schaften anerkannten Kirchen von keiner staatlichen Genehmigung abhängig und es steht
diesen Vereinen das Recht der freien gemeinsamen Religionsübung im häuslichen oder
öffentlichen Gottesdienste sowie der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer An-
gelegenheiten zu; nur dürfen dieselben nach ihrem Bekenntniß, ihrer Verfassung oder
Wirksamkeit mit den Geboten der Sittlichkeit oder mit der öffentlichen Rechtsordnung
nicht in Widerspruch treten. Doch findet eine Kognition hierüber vor dem Insleben-
treten solcher Vereine seitens der Regierung nicht statt. Den Charakter von privat-
rechtlichen Korporationen erlangen sie erst durch besondere Verleihung der juristischen
Persönlichkeit.
IV. Kapitel.
Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
§ 112. Dieser Verwaltungszweig umfaßt die gesammte Thätigkeit der Staatsgewalt,
um die Rechte und Interessen des Staates anderen Staaten gegenüber, sowie die Rechte
und Interessen der Staatsangehörigen im Auslande und in den Schutzgebieten zu wahren,
soweit diese Thätigkeit nicht auf die Reichsgewalt übergegangen ist 10.
A. Die Organe für die Erfüllung dieser Aufgabe sind das Ministerium der aus-
wärtigen Angelegenheiten und die diesem unterstellten Gesandtschaften ).
I. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. Dieses Ministerium theilt
sich dermalen in die politische Abtheilung und in die Abtheilung für die Verkehrs-
anstalten; außerdem bildet dasselbe das Ministerium des Königl. Hauses. Ueber die
Verwaltung der Verkehrsanstalten s. Kapitel V. S. 396f ff.
1. Zu dem Geschäftskreise der politischen Abtheilung gehören alle Verhand-
lungen mit auswärtigen Staaten 3), wogegen die Berathung aller Angelegenheiten, welche
die Beziehungen zum Deutschen Reiche betreffen, dem Staatsministerium zukommt, welchem
auch die Bevollmächtigten zum Bundesrathe direkt unterstellt sind 0.
Diese Abtheilung besorgt insbesondere die Beglaubigung und Instruirung der Königl.
Gesandten und anderer diplomatischen Agenten 5) und unterhält die Beziehungen zu den aus-
wärtigen, am Königl. Hofe beglaubigten Gesandtschaften 0); ihr liegt ferner der Abschluß von
Staatsverträgen mit auswärtigen Regierungen — soweit solche nach der Reichs Verf. noch ab-
geschlossen werden können (s. o. S. 182) — und die Einleitung ihrer Vollziehung ob. Durch
das Ministerium werden ferner Verwendungen für die Angelegenheiten württemb. Unterthanen
in fremden Staaten eingelegt und Verwendungen fremder Regierungen in Sachen ihrer Unter-
1) Das Nähere über die Grenzen s. bei Laband, R. St. R. II S. 2ff. und in diesem
Handbuch II 1 S. 142f.
2) Die Vorschriften über die Befähigung zur Anstellung im Depatement der ausw. Ange-
legenheiten enthält die Königl. V.O. v. 8. Febr. 1865.
3) Vgl. die Königl. V.O. v. 8. Nov. 1816 § 10, V. Ed. v. 18. Nov. 1817 § 70 u. Reser.
v. 21. März 1816.
4) Verf.G. v. 1. Juli 1876 Art. 6.
5) Die konsularische Vertretung im Auslande steht jetzt ausschließlich dem Reiche zu, Laband,
R. St. R. II S. 11 ff. Dagegen hat Württemberg zur Zeit in fünf deutschen Städten (Bremen,
Hamburg, Karlsruhe, Lübeck, München) Handelskonsuln, welche übrigens keine staatsrechtliche Be-
deutung haben.
· 6) Dermalen sind in Stuttgart beglaubigt Gesandte von Preußen, Bayern, Sachsen, ferner
von Belgien, Griechenland, Italien, Niederlande, Oesterreich, Persien, Rußland und Spanien, sowie
ein Ministerrefident von Großbritanien. Generalkonsulate und Konsulate auswärtiger Staaten sind
22 in Württemberg errichtet, darunter zwei deutsche (Bayern und Sachsen).