8 116. Die Verwaltung des Kriegswesens. 407
VI. Kapitel.
Die Verwaltung des Kriegswesens.
§ 116. Nach der Reichsverfassung (Art. 4 Nr. 14 und Abschn. XI) soll die ein-
heitliche Ordnung und Einrichtung des Heeres, der Oberbefehl im Krieg und Frieden,
die Feststellung des Rekrutenbedarfs und des Ausgabeetats dem Reiche zustehen, während
den Einzelstaaten die Kontingentsherrlichkeit und die Selbstverwaltung verblieben ist.
Dieser normale, reichsverfassungsmäßige Rechtszustand, welcher in den meisten anderen
deutschen Staaten durch die vertragsmäßige Uebertragung von Militärhoheitsrechten an
Preußen alterirt wurde, ist in der Militärkonvention mit Württemberg vom 21./25.
November 1870, — welche nach der Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt der R.V.
einen integrirenden Bestandtheil der Reichsverfassung und deren Bestimmungen hiernach
ein Sonderrecht im Sinne des Art. 78 bilden — im Wesentlichen aufrecht erhalten
worden, indem dieselbe zwar erhebliche Modifikationen der reichsverfassungsmäßigen Normen
in ihrer Anwendung auf das württembergische Armeekorps festsetzt, im Uebrigen aber nur
das Verhältniß Württembergs zum Reiche bezw. zum Kaiser normirt, ohne eines der
durch die R.V. den Einzelstaaten belassenen Militärhoheitsrechte auf Preußen zu über-
tragen. Die militärischen Einrichtungen Württembergs können daher als auf dem Reichs-
rechte beruhend nur in Verbindung mit Letzterem zur Darstellung gebracht werden 7.
Hier ist nur Folgendes hervorzuheben:
I. Die Kontingentsherrlichkeit. Die dem Landesherrn als Kontingentsherrn nach
der R.V. zustehenden Befugnisse — welche er nicht als Vertreter des Reichs oder des
Kaisers, sondern in eigenem Namen und aus eigenem Recht ausübt — 2) sind durch die
Militär-Konvention erheblich erweitert worden.
1. Die württemb. Truppen bilden als Theil des deutschen Bundesheers ein in sich ge-
schlossenes Armeekorps (das XIII.) ). Dasselbe hat seine eigenen Fahnen und Feld-
zeichen; die Divisionen, Brigaden, Regimenter und selbstständigen Bataillone behalten neben der
lausenden Nummer in dem deutschen Bundesheere auch noch die Numerirung im Kgl. württemb.
erbande.
2. Im Fahneneid lautet das Gelöbniß: „Seiner Majestät dem Könige während meiner
Dienszet als Soldat treu zu dienen, dem Bundesfeldherrn und den Kriegsgesetzen Gehorsam zu
eisten 2c. 2c.“
n 3. Die Ernennung, Beförderung, Versetzung u. s. w. der Offiziere und Beamten des
Armeekorps (also auch der Generale) erfolgt durch den König, diejenigen des Höchstkomman-
direnden nach vorgängiger Zustimmung des Bundesfeldherrn?).
4. „Der König genießt als Chef seiner Truppen die ihm zustehenden Ehren und
Rechte“ und übt die entsprechenden gerichtsherrlichen Befugnisse5) sammt dem Bestätigungs-
und Begnadigungsrechte bei Erkenntnissen gegen Angehörige des Armeekorps aus, welche über
die Befugnisse des Armeekorpskommandanten beziehungsweise des württemb. Kriegsministeriums
hinausgehen.
g 1) Vgl. Laband, R. St. R. II 497f. u. in diesem Hdb. (2. Aufl.) S. 227 f., ebend. auch die
itteratur.
2) Vgl. Laband a. a. O. S. 555 ff. Die militärischen Dienstbefehle des Königs unterliegen
der Gegenzeichnung des Kriegsministers (anders früher: vgl. Mohl, 1 S. 230). Wegen des Kaiserl.
Oberbefehls s. Laband ga. a. O., II 529 f. und B. I S. 696. Innerhalb des Armeekorps-Bezirks
ist der kommandirende General der Militärbefehlshaber.
3) Bekanntm. des Reichskanzlers v. 25. Okt. 1871.
4) Hieraus folgt das württemberg. Staatsbürgerrecht der (aus Preußen) nach Württemberg
kommandirten Offiziere s. o. S. 24 N. 5.
5) Ugl. hierüber Laband a. a. O., II S. 562 f. Die Kosten der mit der Kontingentsherr-
lichkeit verbundenen Repräsentation ruhen daher theils auf der Cidvilliste theils auf dem Staate.