Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 7. Die sog. Grundrechte. 31 
eine Bezirks- oder höhere Stelle handelt, die Oberämter, außerdem die Ortsbehörden zuständig ¹). 
Gegen das Straferkenntniß findet die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der Bestimmungen der 
Strafprozeßordnung an die zunächst vorgesetzte Behörde, bezw. an den Verwaltungsgerichtshof statt, 
an letzteren jedoch nur, wenn von einem Verwaltungskollegium wegen des Ungehorsams auf eine Geld- 
strafe über 50 Mark oder auf Haft erkannt worden ist ¹). Außerdem steht den Polizeibehörden die 
Befugniß zu, die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen und ordnungsmäßig eröffneten (s. o.) 
Anordnungen durch Anwendung gesetzlicher Zwangsmittel zur Ausführung zu bringen ²). — Auch 
solchen Anordnungen gegenüber bestimmt sich aber die Gehorsamspflicht, bezw. das Recht des Wider- 
stands nach Maßgabe des § 113 des Str.G.B. 
Zur Erzwingung des Gehorsams gegen die Gesetze, wie überhaupt zu polizeilichen Zwecken 
steht den Bundesfürsten nach Art. 66 der R.V. das Recht zu, nicht blos ihre eigenen Truppen zu 
verwenden, sondern auch alle anderen Truppentheile des Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten 
dislozirt sind, zu requiriren. Damit find die bisherigen landesgesetzlichen Bestimmungen über 
die Voraussetzungen der Requisfition des Militärs aufrecht erhalten ³). In Württemberg gilt in dieser 
Beziehung der Art. 3 des Gesetzes v. 28. August 1849, nach welchem die Aufforderung zum mili- 
tärischen Beistand in der Regel durch das Ministerium des Innern geschieht und nur in außerordent- 
lichen Fällen entschiedener dringender Gefahr die Anrufung der militärischen Hilfe auch von der 
obersten Polizeibehörde des Bezirks ausgehen kann ⁴). Dagegen gelten jetzt nach Art. 61 der R.V. 
und Art. 10 der württ. Militärkonvention vom 21./25. November 1870 über die militärischen 
Funktionen selbst, über den Umfang und die Formen des militärischen Einschreitens ausschließlich 
die Vorschriften des preußischen Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 20. März 1837; 
sowie die §§ 8—10 der preuß. Verordnung vom 17. Aug. 1835 zur Aufrechterhaltung der öffent- 
lichen Ordnung und der dem Gesetz schuldigen Achtung ⁵). 
Abgesehen von diesen Fällen der Berufung militärischer Hilfe gelten über den Gebrauch der 
Waffen zur Vollziehung obrigkeitlicher Anordnungen, die für die einzelnen Kategorien des Polizei- 
und Sicherheitsdienstes erlassenen Dienstanweisungen, so für die Landjäger (Gensdarmen) die §§ 48 
u. 49 der Instruktion v. 5. Juni 1823, für die Steuerwächter der § 35 der Dienstinstruktion v. 
20. Jan. 1863, für die Forstwächter der § 44 der Dienstinstruktion (v. 1881), für die Grenzaufseher 
nach § 19 des Z.V. G. v. 10. Juli 1869 der § 14 der Dienstanweisung (1874). 
II. Die Gleichheit der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Nach §§ 21 und 22 der 
V. U. haben „alle Württemberger gleiche staatsbürgerliche Rechte, ebenso find fie zu gleichen staats- 
bürgerlichen Pflichten und gleicher Theilnahme an den Staatslasten verbunden, soweit nicht die 
Verfassung eine ausdrückliche Ausnahme enthält; insbesondere kann kein Staatsbürger wegen seiner 
Geburt von irgend einem Staatsamt ausgeschlossen werden“. 
Dieses Verfassungsrecht hat nur historische Bedeutung, insofern dadurch Beschränkungen, 
welche in früherer Zeit bestanden, auch für die Zukunft beseitigt werden und ihre Aufhebung unter 
den Schutz der Verfassung gestellt wird ⁶). Viele Ungleichheiten sind übrigens erst nach Erlassung 
der Verfassung durch die Gesetzgebung des Jahres 1849 aus dem Wege geräumt worden, so die 
privilegirten Gerichtsstände, die Steuerprivilegien ꝛc. Diese Beseitigung der Standesunterschiede 
wie der durch das religiöse Bekenntniß begründeten Verschiedenheiten ist jetzt in ungleich wirksamerer 
Weise durch die R.V. Art. 3 und die auf Grund derselben erlassenen Gesetze, insbesondere die Reichs- 
Gewerbe-Ordnung, die Reichsprozeßgesetze, das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869, die Reichsmilitär- 
gesetze ꝛc. sicher gestellt. 
Für das Landesrecht hat die ganze Bestimmung nur noch formelle Bedeutung als Gegensatz 
 
1) Art. 5 des Ges. v. 12. Aug. 1879.  
2) Das Gesetz redet von sonstigen Zwangsmitteln, weil die Ungehorsamsstrafe bei fortgesetztem 
Ungehorsam auch wiederholt werden kann (Art. 2 a. a. O.), somit selbst als Zwangsmittel erscheint; 
vgl. auch Schicker a. a. O. S. 178f. 
3) S. auch Hänel 1, S.504 f., Laband II, 542, Baur im württ. G. Bl. XXI 134 f. und 
Sarwey, St. R. I 193ff. 
4) S. übrigens auch C. Pr. O. § 678, Abs. 3.  
5) Dieselben sind in Württemberg veröffentlicht durch die Verf. der M. d. Justiz, des Innern 
und des Kriegswesens vom 27. Mai 1878 (R. Bl. S. 125). Der § 10 des angef. preuß. Gesetzes 
ist übrigens in Württemberg, soweit nach Art. 10 der Militärkonvention die württ. Militärstraf- 
gerichtsordnung vorerst noch in Geltung ist, nicht anwendbar; s. auch a. a. O. S. 128 Note. 
6) So auch die Aufhebung der persönlichen Leibeigenschaft, welche bereits durch das Edikt 
vom 18. Nov. 1817 beseitigt worden; dann der Vorrechte, welche im Herzogthum der Adel bei Be- 
setzung einzelner Kollegien hatte; s. Wächter, I S. 141 f., 387, 826.
	        
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