§ 7. Die sog. Grundrechte. 33
unterschieden wird zwischen der Gestattung, an einen Ort anzuziehen (§ 4) und der Entziehung der
Erlaubniß, nach erfolgtem Anzug den Aufenthalt fortzusetzen (§ 5). Ueber die Aufenthaltsbeschrän-
kung und ihre Wiederaufhebung im Falle des § 3 verfügen bezw. entscheiden in Württemberg
(Art. 58 des G.A.G. v. 1885) die Oberämter, die Kreisregierungen und das Ministerium des
Innern — je nach Lage der Umstände auf Antrag oder von Amtswegen bezw. von Oberaussichts-
wegen. Zum Antrag auf Ausweisung ist der Gemeinderath befugt. Die Beschwerde geht bis zum
Ministerium des Innern, eine Rechtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig ¹).
— In den Fällen der §§ 4 u. 5 des F.G. dagegen findet für die Entscheidung von Streitigkeiten
über die Befugniß einer Gemeinde zur Abweisung eines Neuanziehenden, sowie zur Versagung der
Fortsetzung des Aufenthalts nach vorgängiger Entscheidung des Oberamts der Rechtsweg vor den
Kreisregierungen als Verwaltungsgerichten erster Instanz und die Berufung an den Verwaltungs-
gerichtshof statt ²).
Die thatsächliche Ausweisung aus einem Orte darf nach § 6 des F.G. niemals erfolgen
bevor nicht entweder die Annahmeerklärung der in Anspruch genommenen Gemeinde oder eines
andern Armenverbands oder eine wenigstens einstweilen vollstreckbare Entscheidung über die Fürsorge-
pflicht erfolgt ist. Im Falle eines Streits zwischen zwei württembergischen Armenverbänden ist
der Anspruch auf Uebernahme des Unterstützungsbedürftigen bei der Kreisregierung, in deren Bezirk
der beklagte Armenverband seinen Sitz hat, als Verwaltungsgericht erster Instanz geltend zu machen ³).
Handelt es sich jedoch um Ansprüche eines nichtwürttembergischen Armenverbands gegen einen
württembergischen Armenverband als Beklagten, so ist der Verwaltungsgerichtshof zur Verhandlung
und Entscheidung in erster Instanz zuständig ⁴). Gegen die Entscheidung findet die Berufung an
das Bundesamt für das Heimathwesen statt ⁵). Nur gegenüber von Bayern und Elfsaß-
Lothringen ist, da in diesen beiden Territorien das R.G. über den Unterstützungswohnsitz nicht
zur Einführung gelangt ist ⁶) für die Verpflichtung zur Uebernahme von Auszuweisenden noch immer
nach dem — für das übrige Deutschland durch § 1 des U. W.G. außer Kraft gesetzten — § 7 des F.G.
der Gothaer Vertrag vom 15. Juli 1851 und die Eisenacher Konvention vom 11. Juli 1853 maß-
gebend, wonach Personen, welche der Armenunterstützung anheimgefallen find, gegenseitig dem Heimath-
staate zugeschoben werden können ⁷).
Das Paßwesen und die Fremdenpolizei unterliegt der Kompetenz des Reiches
(R. V. Art. 4 Nr. 1). Der Paßzwang ist durch das R.G. v. 12. Okt. 1867 aufgehoben, jedoch ist
der Kaiser ermächtigt, durch Verordnung die Paßpflichtigkeit vorübergehend einzuführen, wenn die
Sicherheit des Reichs oder eines einzelnen Bundesstaats oder die öffentliche Ordnung bedroht er-
scheint ⁸). Deutsche bedürfen hiernach zum Ausgang aus dem Reich, zur Rückkehr in dasselbe und
zum Aufenthalt und Reisen innerhalb desselben keines Reisepapiers mehr, doch sollen ihnen solche
auf Antrag ertheilt werden, wenn ihrer Reise keine gesetzlichen Hindernisse (z. B. Militärpflicht ꝛc.)
entgegenstehen ⁹). Jedermann ist aber verpflichtet sich auf amtliches Erfordern über seine Person
genügend auszuweisen. Eine Pflicht zur Vorlegung der Reisepapiere zur Visirung besteht nicht ¹⁰).
Ueber die Heimathscheine oder (zur Benützung innerhalb des Reichsgebiets) Staatsangehörig-
keitsausweise s. oben S. 27.
Die Vorschriften über die Anmeldung neuanziehender Personen sind nach § 10 des F.G.
den Landesgesetzen mit der Maßgabe vorbehalten, daß die unterlassene Meldung nur mit einer
Polizeistrafe, niemals mit dem Verluste des Aufenthaltsrechts geahndet werden darf. Die Vor-
schriften über das Meldewesen sind für Württemberg enthalten in der V.O. v. 6. August 1872
1) G.A.G. Art. 57, 58, 62 Lit. a, vgl. m. Art. 59.
2) Ges. über die V. R.Pfl. v. 16. Dez. 1876 Art. 10 Nr. 1.
3) Art. 10 Nr. 2 des Gesetzes über d. V. R. Pfl. v. 1876, vgl. m. §§ 37 u. 38 des U. W.G.
Art. 44 des württ. A.G. zum U.W. G. v. 17. April 1873.
4) Ges. über die V. R. Pfl. Art. 11.
5) U. W.G. v. 6. Juni 1870 § 41.
6) S. Hierüber Laband I, S. 150 in und zu N. 1.
7) Vgl. die württ. Bekanntmachung vom 12. Juli 1853 (Goth. V.) R. Bl. 287; vom 17. Nov.
1858 (Eisen. Konv.) R. Bl. 482 u. 16. Jan. 1854, R. Bl. S. 6 und das bayer. Schlußprotokoll v.
23. Nov. 1870 I; Krais, Handbuch d. inneren Verw. II, S. 29 ff. der 2. Aufl., Seydel in Hirth's
Ann. 1890, S. 179 f., 188f.; vgl. auch M. E. v. 3. August 1886 im A.Bl. 1887, S. 398ff.
8) S. auch Laband I, S. 187 N. 2.
9) Bezüglich der Paßkarten vgl. die württ. V. O. v. 15. Juni 1851 u. V.O. v. 1. Nov. 1865
§§ 2, 3 u. 8 und M.E. v. 14. Febr. 1876, A. Bl. S. 53. M. E. v. 20. Jan. 1882, A. Bl. S. 21.
M. E. v. 31. Juli 1882, A.Bl. 302. M. E. v. 19. August 1891, A. Bl. 234.
10) S. Paß G. §§ 6, 8 und Konsulatsges. § 25. Laband II 22.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 3