Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 10. C. Der ritterschaftliche Adel. 49 
trikulirten Güter, indem den Standesherren der privilegirte Gerichtsstand bei den 
Civilkammern der Landgerichte verblieben ist ¹). Dagegen ist die Befugniß des 
Familienhaupts, den Familiengliedern Vormünder zu bestellen, wie die privilegirte 
Befugniß zur Selbstbehandlung des Inventur-, Theilungs- und Vormundschafts- 
wesens durch das Gesetz vom 17. August 1849 Art. 1 beseitigt ²). 
f) Bei der Immobiliarzwangsvollstreckung in Lehen- oder Stammgüter 
das Recht auf eine standesgemäße Kompetenz für sich und ihre Familien, welche 
jedoch die Hälfte des Reinertrags des Guts keinesfalls übersteigen darf ³). 
g) Auf Grund der Reichsgesetzgebung sind die zu den Standesherrschaften der vormals 
reichsständischen Häuser gehörenden Gebäude, sofern sie für immer oder zeitweise 
zum Wohnsitz ihrer Eigenthümer bestimmt sind, von der Einquartierungslast 
und der damit verbundenen Pflicht zur Naturalverpflegung in Friedens- 
zeiten nach Maßgabe des Quartierl.-Ges. vom 25. Juni 1868 § 4 Abs. 2 befreit. 
Weitere Vorrechte stehen den Standesherren nicht zu, insbesondere ist das in § 7 des 
Einf.-G. zum G.V. G. denselben vorbehaltene Recht auf Austräge für Württemberg ohne 
Bedeutung, da dieses Recht schon früher, nämlich durch das Ges. v. 17. Aug. 1849, betr. 
die Aufhebung der befreiten Gerichtsstände, ausgehoben worden ist. Auch das Vorrecht, 
gleichzeitig das Bürgerrecht in mehreren Staaten zu besitzen, und das Recht der freien 
Wahl des Aufenthalts (Bundesakte Art. 14 Z. 1) hat seine frühere Bedeutung verloren, 
seitdem diese Rechte allen Reichsangehörigen durch die Reichsgesetzgebung garantirt sind ⁴), 
während andererseits in den Fällen der §§ 20—22 des R.G. vom 1. Juni 1870, sowie 
nach dem R.G. v. 4. Mai 1874 der Verlust der Staats- und Reichsangehörigkeit jetzt auch 
auf die Mitglieder der standesherrlichen Familien Anwendung findet, sollte es sich auch in 
den zuerst genannten Fällen um den Aufenthalt in Staaten handeln, welche früher zum 
Deutschen Bunde gehörten ⁵). 
§ 10. C. Der ritterschaftliche Adel. 
I. Die Ritterschaft in Schwaben hatte sich schon seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts der 
Landeshoheit der Herzoge von Württemberg zu entziehen gewußt. Bei dem Abschluß des Tübinger 
Vertrags vom 8. Juli 1514 (s. die Einleitung) hatte dieser Stand, der früher bei der Landes- 
repräsentation überall mitgewirkt hatte, nicht mehr Theil genommen, und im Jahre 1559 wurde 
die schwäbische Ritterschaft von Kaiser Ferdinand I. förmlich für reichsunmittelbar erklärt (vgl. auch 
S. 4 Note 2). Dieses Ausscheiden hatte zur Folge, daß in der altwürttemb. Verfassung der Adel von der 
Vertretung des Landes gänzlich ausgeschlossen war. Es bildete sich zwar in der Folge durch Einwan- 
derung und Nobilitirung wieder ein landsässiger Adel; derselbe hatte aber, abgesehen von der ausschließ- 
lichen Besetzung einiger Stellen im Hofgericht und Oberrath mit Adeligen, keine politische Bedeutung ⁶). 
 
1) Not. Ges. v. 14. Juni 1843 Art. 15, Ausf.Ges. z. R.G.V.G. Art. 9 Abs. 2, und Ges. 
v. 17. Aug. 1849 u. Lang, Württemb. Pers. R. § 19 Note 1. 
2) Unrichtig: Sarwey, I S. 319, R. Gaupp, V. Urk. S. 131 u. hiernach Riecke S. 88. 
3) Art. 48 des Exek.Ges. v. 15. April 1825; württemb. Subhast. O. v. 18. Aug. 1879 
Art. 31 u. Gaupp, Komm. z. C.P.O. Anh. S. 87. 
4) Auch für die Aufnahme eines deutschen Standesherrn, welcher bisher keine Standesherr- 
schaft im Lande besaß, aber in Folge hausgesetzlicher Succession in den Besitz einer solchen gelangt, 
in das württiemberg. Staatsbürgerrecht gilt an sich nichts besonderes; nur wurde bisher faktisch der 
Aufnahmeakt durch die — erst nach vorgängiger Prüfung bezüglich der Voraussetzungen der Aufnahme 
stattfindende — Leistung des Huldigungseides nach Maßgabe der Deklarationen ersetzt; s. auch 
Mohl, R. St. R. S. 104. 
5) Ueber die früheren, durch die Gesetzgebung seit 1848 aufgehobenen Vorrechte der Standes- 
herren s. Mohl, I S. 477 ff., Lang, Pers.R. § 18 B. 
6) S. hierüber Wächter, Württemberg. Priv. R. I S. 141 ff.; die Stellung der schwäbischen, 
fränkischen und rheinischen Ritterschaft im alten Deutschen Reiche gehört nicht hierher: vgl. hierüber 
J. J. Moser, Gesch. d. Reichsritterschaft 1775; J. J. Moser, deutsches Staatsr. B. 5. Von 
den Reichsständen 1767; Kerner, Staatsrecht der freien Reichsritterschaft, Lemgo 1786—89 und 
Häberlin, Handbuch d. deutschen Staatsrechts III S. 541 ff.; Zöpfl, St.R. 1 § 105; 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 4
	        
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