Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

56 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. I. Der König. § 12. 
ist durch die in § 7 der V. U. festgesetzte Thronfolgeordnung ausgeschlossen. Die Folge 
der Entsagung ist die Erledigung des Thrones. Die nach der Entsagung geborene Des- 
cendenz ist zwar successionsfähig, sie gelangt aber erst nach der Linie des durch den Verzicht 
zum Thron Berufenen zur Succession ¹). 
Der Verlust der Krone durch Absetzung oder Zwang zur Abtretung ist zwar faktisch 
möglich, nicht aber staatsrechtlich ²). Konflikte wegen Verfassungsverletzung und Streitig- 
keiten über die Legitimität und Erbfolgeberechtigung eines auf die Thronfolge Anspruch 
machenden oder bereits im Besitze des Thrones befindlichen Prinzen können jetzt auf gesetz- 
lichem Wege nur noch nach Maßgabe des Art. 76 Abs. 2 der R.V. zur Entscheidung ge- 
bracht werden ³). 
B. Die Stellvertretung des Königs. 
§ 12. I. Die Reichsverwesung ⁴). 1. Ist der König an der Ausübung der Staats- 
gewalt dauernd verhindert, so tritt, bis das Hinderniß hinwegfällt oder der Thron er- 
ledigt wird, eine Reichsverwesung für ihn ein. Die V. U. unterscheidet hierbei: 
a) Die ordentliche Reichsverwesung im Falle der Minderjährigkeit des Königs. 
Die Großjährigkeit des Königs tritt mit zurückgelegtem 18. Lebensjahre ein ⁵), 
auch wenn der zum Throne Berufene bisher nicht Kronprinz war. Eine Jahr- 
gebung, wie sie früher auf Grund des Kaiserlichen Reservatrechts vorkam, ist 
jetzt nicht mehr möglich; denn dieselbe würde eine Verfassungsänderung enthalten, 
eine solche ist aber nach § 15 Abs. 2 S. 2 der V. U. während einer vormund- 
schaftlichen Regierung nur für die Dauer der Reichsverwesung zulässig, würde 
also mit dem Eintritt der Jahrgebung ihre Giltigkeit verlieren. Ein früherer 
Eintritt der Großjährigkeit könnte hiernach nur vor Beginn der Reichsverwesung, 
sei es nun durch eine allgemeine Abänderung der Verfassung oder durch ein 
unter der Regierung des Vorgängers zu erlassendes, die Verfassung änderndes 
Spezialgesetz für die Person des Nachfolgers, herbeigeführt werden ⁶). 
Die Reichsverwesung tritt, wenn der König minderjährig ist, nach § 11 
der V.U. mit dem Tode des Vorgängers von Rechtswegen ein und hört ebenso 
von Rechtswegen auf, sobald der König das 19. Lebensjahr angetreten hat. 
b) Die außerordentliche Reichsverwesung. Eine solche findet nach § 13 der 
V. U. zunächst statt, „wenn sich bei dem zum Throne Berechtigten eine solche 
Geistes- oder Körperbeschaffenheit zeigen sollte, welche dem- 
selben die eigene Verwaltung des Reiches unmöglich machen 
würde.“ Es tritt also nicht mehr, wie nach dem früheren, an das ältere deutsche 
Recht sich anschließenden Herkommen ⁷), eine Successionsunfähigkeit wegen körper- 
licher oder geistiger Gebrechen ein. Für diese Fälle ist ein besonderes Ver- 
fahren zur Feststellung des Eintritts der Regentschaft vorgeschrieben. Es ist 
nämlich zu unterscheiden: 
1) S. G. Meyer, St. R. § 91 Schulze, Pr. St. R. § 74 u. E.R.G. XIV, 230; A. M. Fricker 
in der Z. f. St. W. XXXI, S 205 f. 
2) S. auch Zachariä, § 84, v. Gerber, § 32, H. Schulze, Pr. St. R. § 73. 
3) Die abweichenden Ausführungen von Mohl, I § 29 sind jedenfalls seit dem Eintritt 
Württembergs in das Reich antiquirt; s. auch G. Meyer, § 212, Laband, I 250. 
4) Vgl. die Regentschaft von A. v. Kirchenheim 1880 und Fricker, Thronunfähigkeit u. 
Reichsverw. in der Tüb. Zeitschr. f. StaatsW. 1875 S. 199 ff., Hancke, Regentsch, und Stell- 
vertr. 1887; Geters, Die Regentschaft 1890. 
5) W.Ges. v. 7. März 1873 Art. 1, R.G. v. 17. Febr. 1875 § 2. Mandry, Der civilr. 
Inhalt S. 2. 
6) S. Mohl, I S. 289 N. 3. 
7) S. z. B. noch das Hausges. v. 1808 § 2. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.