Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

66 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. I. Der König. § 17. 
§ 17. IV. Die Einkünfte des Königs. Bezüglich dieser ist zu unterscheiden: A. Die Civil- 
liste. 1. Vorgeschichte. Wie bereits in der Einleitung bemerkt wurde, hatte das Kammergut, 
d. h. das ursprüngliche Privatvermögen der landesherrlichen Familie in Württemberg — wie ander- 
wärts in Deutschland ¹) — seit der Entwickelung der Landeshoheit aus der Landesherrlichkeit die 
doppelte Bestimmung, sowohl die Kosten der landesherrlichen Familie als den Aufwand für die 
allmählich aus der einfachen gutsherrlichen Verwaltung sich entwickelnden staatlichen Einrichtungen 
zu tragen. Reichten die Einkünfte zur Deckung dieses Aufwandes nicht hin, so mußten Schulden 
gemacht werden, welche zunächst das Kammergut belasteten. Das Ansinnen der Uebernahme dieser 
Schulden auf die Landschaft führte zur Entwickelung der altwürtt. Verfassung, durch welche das 
Kammergut, obgleich es im Gegensatze zu dem unter der ständischen Verwaltung besindlichen Landes- 
vermögen nach wie vor als Stammgut der landesherrlichen Familie in der Verwaltung des Herzogs 
blieb, doch mehr und mehr die Natur eines ohne die Einwilligung der Stände mit Schulden nicht 
zu belastenden Staatsguts annahm ²). 
Da bei dieser Sachlage, welche seit dem Tübinger Vertrag (1514) bis zur Aufhebung der 
altwürtt. Verfassung im Wesentlichen unverändert blieb, die Landstände immer mehr in der Ver- 
waltung und Verwendung des Kammerguts mitsprachen, andererseits in Folge des Herzogsbriefs 
von 1495 der ganze Territorialbestand des Herzogthums, insbesondere auch das Kammergut in 
seinem damaligen Bestande Reichslehen geworden war, und das durch den Prager Vertrag von 
1599 ³) begründete österr. Anwartschaftsrecht beim Aussterben des Mannsstammes diesen Besitzstand 
gleichfalls umfaßte, so wurden in der Folge die neuen Erwerbungen, soweit sie nicht durch Ueber- 
einkunft zwischen dem Herzog und den Ständen dem Lande förmlich inkorporirt wurden ⁴), als freies 
Vermögen des Herzogs behandelt, welches weder zum Lande noch zum Kammergute gehörte. Herzog 
Eberhard III., welcher die Zustände nach dem 30jährigen Kriege zu zahlreichen käuflichen Erwer- 
bungen benutzt hatte, gründete nun in seinem Testamente von 1664 und in dem Kodizill von 1674 
aus diesem besonderen Vermögen ein neues Familienfideikommiß, das sog. Kammerschreiberei- 
gut, welches sich ausschließlich nach dem Rechte der Erstgeburt vererben, beim Aussterben des 
Mannsstammes aber nicht an Oesterreich, sondern an die weibliche Linie fallen sollte ⁵). Neben 
diesen beiden Vermögenskomplexen bestand dann noch als dritter das aus dem ehemaligen katho- 
lischen Kirchenvermögen zusammengezogene, selbständig verwaltete evangelische Kirchengut. (S. 
d. Einl.) 
Bei der gewaltsamen Aufhebung der altwürtt. Verfassung, 30./31. Dez. 1805, wurden das 
Kammergut und das Kirchengut unter Beseitigung ihrer bisherigen selbständigen Verwaltung zu 
einem ungetrennten, der freien Verwaltung und Verfügung des Königs unterstellten Staatsgute 
vereinigt ⁶), wogegen das Familienfideikommiß als „Hofdomänen-Kammergut“ erhalten wurde, 
in seinem Bestande aber mehrfache Veränderungen erfuhr ⁷). 
In dem Streite um die Wiederherstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes diente es 
dann als einer der wichtigsten Schritte zur Verständigung, daß der König Wilhelm zuerst in dem 
Verfassungsentwurfe von 1817 und später in der V. U. von 1819 auf das bisherige Eigenthums- 
recht des Regentenhauses am Kammergute gegen Bezahlnng einer auf die Regierungszeit eines jeden 
Königs zu verabschiedenden Civilliste verzichtete. Dem Kammergute kommt hiernach jetzt verfassungs- 
gemäß die Eigenschaft eines von dem Königreiche unzertrennlichen Staatsguts zu ⁸), 
welches durch sämmtliche zu dem ursprünglichen Herzoglich württ. Familienfideikommisse gehörigen, 
sowie durch die von dem König als Staatsoberhaupt neu erworbenen Grundstücke, Gefälle und nutz- 
 
1) Zachariä, Deutsches Staatsr. I S. 400 und die dort angef. Litteratur, ferner derselbe: 
das rechtl. Verh. des fürstl. Kammerguts, Göttingen 1861 und das Eigenth. R. am Kammergut, Göt- 
tingen 1864: für Württemberg insbes. s. Wächter, I S. 324 ff., 702, 891, wos. auch die ältere 
württ. Litteratur, und Mohl, 1 §§ 39, 52, 55, 58; Riecke, S. 269 f., ferner L. Reyscher, 
Die Rechte des Staats an den Domänenkammergütern, Leipzig 1863 und: der Rechtsstr. über das 
Eigenthum ꝛc., Leipzig 1865. 
2) Vgl. auch Fricker und Geßler a. a. O. S. 81 ff. 118 ff. 
3) S. die Einleitung oben S. 3. 
4) Vgll. Fricker und Geßler a. a. O. S. 66 ff. 
5) Vgl. auch Wächter a. a. O. S. 326 ff. Fricker und Geßler S. 72f. 
6) S. das Manif. v. 1.,Jan. 1806 u. d. Gen. Reser. v. 2. Jan. 1806. 
7) Vgl. Mohl, 1 S. 273f., Riecke, S. 64. 
8) Durch die Anerkennung der Verf. v. 1819 seitens sämmtlicher Agnaten ist auch der Ver- 
zicht auf das Kammergut genehmigt. Ein Anspruch der weiblichen Linie auf das Kammergut beim 
Aussterben des Mannsstammes kann hiernach, sowie nach Inhalt des § 103 der V. U. nicht mehr in 
Frage kommen, s. auch Mohl, I S. 639.
	        
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