§ 19. Die Rechte des Königs als Staatsoberhaupt. 73
Landtag, welcher das Gesetz genehmigt hat, geschlossen und inzwischen ein neuer Landtag
berufen worden ist ¹); denn durch die Schließung des Landtags werden nur die uner-
ledigten Geschäfte desselben, aber nicht die bereits gefaßten Beschlüsse hinfällig ²). Eine
Mittheilung an die Stände in Form Königl. Reseripts ist ³) nur dann üblich, wenn einem
von den Ständen abgeänderten Entwurfe die Sanktion ertheilt wird. In andern Fällen,
namentlich wenn die Sanktion verweigert wird, findet eine Benachrichtigung nicht statt ⁴).
II. Das Recht, ohne die Mitwirkung der Stände die zur Vollstreckung und Hand-
habung der Gesetze erforderlichen Verordnungen mit allgemein verbindlicher Kraft zu er-
lassen. V.U. § 89. Diese Verordnungsgewalt ist übrigens nur insofern ein ausschließ-
liches Recht des Staatsoberhauptes, als jede Verordnung bezw. Anordnung, auch die von
den Staatsbehörden innerhalb ihrer Befugnisse erlassene, auf die Ermächtigung durch das
Staatsoberhaupt zurückzuführen ist. Bezüglich der Verordnungen, welche der König selbst
erläßt (der „Königl. B.O.O.“) gilt, was die Anhörung des Staatsministeriums, Sanktion
und Verkündung betrifft, ganz dasselbe, wie bei den Gesetzen, nur fehlt im Eingang
die Bezugnahme auf die erfolgte Zustimmung der Stände ⁵).
III. Das Recht der obersten Leitung und Aufsicht über die gesammte Staatsver-
waltung. Hierunter ist begriffen:
a) Das Recht der Organisation der Aemter; s. § 53 Nr. 3.
b) Das Recht der Uebertragung der Staatsämter. Diese erfolgt durch Ent-
schließung des Königs, mit Ausnahme einzelner niederen Dienststellen, deren Be-
setzung den vorgesetzten Behörden überlassen ist. Der König ist jedoch hierbei an
die Bestimmungen der §§ 43 und 44 der V. U. gebunden. Nach § 44 setzt
nämlich jede Anstellung die erfolgreiche Erstehung der gesetzmäßigen
Prüfung seitens des Bewerbers voraus; nach § 43 aber erfolgt die Ernen-
nung — die Kollegialvorstände ausgenommen — auf Vorschläge der vor-
gesetzten Kollegien, wobei jedesmal alle Bewerber aufzuzählen sind.
Der König ist übrigens an die Vorschläge nicht gebunden. Mit Rücksicht auf
diese Vorschrift werden alle Stellen von der vierten Rangstufe abwärts öffentlich
zur Bewerbung ausgeschrieben ⁶). Die Vorschläge werden von dem verantwort-
lichen Ressortminister mit seinem Antrag an den König gebracht ⁷). Auf die
Mitglieder des Geheimen Raths, also auch auf die Minister, finden die §§ 43
und 44 der V. U. keine Anwendung; diese werden vielmehr ganz nach eigener
freier Entschließung des Königs berufen (V. U. § 57)⁸.
Bezüglich der von der Ständekammer gewählten Beamten steht dem Könige
das Recht der Bestätigung zu ⁹).
1) S. auch Bitzer a. a. O. S. 269, woselbst auch Beispiele von Gesetzen, welche erst nach
Jahren seit der Verabschiedung durch die Stände publizirt wurden.
2) Hiermit stimmt auch die neuere Uebung im Reich überein, anders: Laband, I 565.
3) Die Verf. enthält keine Vorschrift.
4) S. im Uebrigen bezüglich der Gesetzgebung unten §§ 53 und 54.
5) S. im Uebrigen unten § 55.
6) S. auch Mohl, II S. 96; vorgeschrieben ist allerdings ein solches Ausschreiben nicht, da
eine Bewerbung bei der vorgesetzten Behörde auch ohne Ausschreiben denkbar ist.
7) Eine gesetzliche Vorschrift, daß der Besetzung der höheren Stellen, insbesondere der vier
oberen Rangklassen, eine Berathung durch das Staatsministerium voranzugehen habe, besteht nicht.
Verantwortlich für die Anstellungen in seinem Departement ist nur der Ressortminister.
8) Mohl, II S. 97.
9) Ueber die Ernennung der Mitglieder des Staatsgerichtshofes s. § 35. Die Ernennung
des Höchstkommandirenden des württ. Armeekorps erfolgt nach vorgängiger Zustimmung des Kaisers
(Mil. Konv. vom 21./25. Nov. 1870 Art. 5).