Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 20. Die Ständeversammlung. Geschichtliche Vorbemerkungen. 77 
Staaten über Gegenstände des staatlichen Lebens, theils in der Thätigkeit der Staats- 
gewalt, um die Rechte und Interessen des Königsreichs gegenüber auswärtigen Staaten 
oder die Rechte und Interessen von württembergischen Staatsangehörigen im Auslande zu 
wahren. Letzterer Aufgabe dient, neben der Funktion des Ministeriums der auswärtigen 
Angelegenheiten (s. § 112) das aktive und passive Gesandtschaftsrecht. Der Art. 11 
der R.V. hat den Einzelstaaten das Recht des diplomatischen Verkehrs sowie des Abschlusses 
von Staatsverträgen untereinander und mit dem Auslande nicht entzogen, wohl aber 
thatsächlich eine erhebliche Beschränkung in der Ausübung dieser Rechte herbeigeführt. 
Das Nähere über die Abgrenzung dieser Befugnisse gehört in das Reichs-Staatsrecht ¹). 
Hier genügt es, hervorzuheben, daß Württemberg zur Zeit noch das aktive und passive 
Gesandtschaftsrecht in den durch die R.V. gezogenen Grenzen ausübt. Der König schickt und 
empfängt hiernach die Gesandten und ertheilt ihnen ihre Beglaubigung und Instruktion 
unter Gegenzeichnung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, bezw. durch diesen. 
Die Stände können auf die Ausübung des Gesandschaftsrechts nur nach Maßgabe des 
Etatsrechts einwirken; im Falle der Verweigerung der Gesandtschaftsgehalte ꝛc. wäre der 
König nicht gehindert, auf Kosten der Civilliste die diplomatische Vertretung aufrecht zu er- 
halten. — Ueber die Staatsverträge s. u. § 57. 
II. Kapitel. 
Die Ständeversammlung. 
§ 20. Geschichtliche Vorbemerkungen. 1. Die ständische Verfassung des Herzogthums Würt- 
temberg, deren wichtigste Grundlage — neben einer Reihe einzelner Landtagsabschiede, Testamente ꝛc. 
— der Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 und der Erbvergleich vom 2. März 1770 bildeten ²), 
beruhte auf Vertrag. Der Begriff des Staates als der Organisation des ganzen Volkes existirte 
nur im Deutschen Reiche, unter dessen Schutz der Landesherr und die einzelnen Korporationen als 
selbständige Glieder paktirten. Die Stände waren eine Korporation, welche identisch war mit der 
Gemeinschaft sämmtlicher Amtskorporationen. Die Vertreter der letzteren waren nicht Vertreter des 
Volkes, sondern nur privatrechtliche Mandatare der Korporationen, von welchen sie entsendet, bezahlt 
und wieder abberufen wurden, wie sie an die Instruktionen derselben gebunden waren. Der Schwer- 
punkt der ständischen Rechte lag nicht in der Gesetzgebung, welche dem Herzog allein mit der ein- 
zigen Beschränkung zustand, daß er „an den allgemeinen durchgehenden Landesordnungen ohne Vor- 
wissen des engeren Ausschusses keine hauptsächliche Aenderung vornehmen sollte“³), sondern im Finanz- 
wesen. Die Landschaft verwilligte nämlich nicht blos die Steuern, sondern brachte sie auch durch 
die, wenigstens in der späteren Zeit von ihr allein angestellten, Einnehmer (Landschaftskassiere) 
mittelst der Amtspfleger zum Einzug. Dabei übte sie ein ständisches Kassenrecht aus, indem sie die 
erhobenen Gelder (die Ablösungshilfe) verwaltete und zur Verzinsung und Tilgung der für den 
Herzog auf die Landschaft übernommenen Schulden, theilweise auch zu direkten Zahlungen an den 
Herzog verwendete. Dem Lande stand der Herzog mit dem Rechte zu regieren ganz unabhängig 
gegenüber, soweit er nur mit den Einkünften seines sehr bedeutenden Kammergutes reichte. Das 
Steuerverwilligungsrecht enthielt kein Recht der Ausgabenverwilligung, ein Etatsgesetz existirte nicht. 
Die Stände hatten vielmehr nur das Recht wie die Pflicht, das Defizit der Herzoglichen Finanz- 
verwaltung theils unmittelbar theils durch Uebernahme der Schulden des Herzogs zu decken, wobei 
sich natürlich, je nach der Bedrängniß des letzteren, Gelegenheit bot, in der Form von Vertrags- 
bedingungen die Rechte der Korporationen und ihrer Angehörigen zur Geltung zu bringen, auch 
neue zu erwerben. 
 
1) Laband in diesem Handb. II 1 S. 112 ff., 142 ff., R.St.R. 1 666 ff. und die dort angef. 
Litteratur, Hänel, I 547ff. 
2) S. auch die Einleitung § 1. 
3) Vgl. d. Landt. Absch. v. 1629, den Ausschußstaat v. 1638 (bei Reyscher, St. Gr. G. II 
338, 353), den Landt.Absch. v. 1739 § 50 (Reyscher a. a. O. 534), den Erbvergl. v. 1770 Cl. I 
ad grav. VI § 2; Wächter, H.B. 1 149.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.