Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

80 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 21. 
II. Das Recht der Zustimmung zu den mit auswärtigen Staaten abgeschlossenen 
Verträgen in dem unten § 57 näher bezeichneten Umfange. 
III. Die Mitwirkung bei dem Staatshaushalte. Diese äußert sich nicht blos in 
der Form der Gesetzgebung (I) — durch Verabschiedung des Finanzgesetzes mit dem 
Hauptetat — sondern auch in der Form der Zustimmungserklärung zu einzelnen Ver- 
waltungsakten der Regierung, womit eine Kontrolle der gesammten Regierungsthätigkeit auf 
dem Gebiete der Finanzverwaltung verbunden ist. Der größte Theil dieser Thätigkeit schließt 
sich unmittelbar an die Berathung des Etatsgesetzes an und erhält in letzterem ihre formelle 
Gestaltung; in einzelnen Fällen tritt sie aber auch in der Form selbständiger — nicht 
als Gesetz redigirter — Beschlüsse, in Anträgen, Bitten an die Staatsregierung in die 
Erscheinung. Die Grundlage der ganzen Etatsgesetzgebung bildet das VIII. Kap. der V. U. 
(§ 102 ff.) ¹). 
Der altwürttemberg. Verfassung war die Etatswirthschaft fremd, da die Verwaltung des 
Kammergutes ausschließlich dem Regenten, die Verwilligung und Einziehung der Steuern und 
die Verwaltung der Steuerkasse ausschließlich den Ständen, letzteren aber weder das Recht der 
Prüfung der Staatsausgaben noch der Feststellung der anderweitigen Einnahmen zustand. Erst 
als (1819) das gesammte Kammergut vom Könige an den Staat abgetreten wurde, andererseits 
die früher ständische Steuerverwaltung an die Staatsregierung überging und dagegen die Staats- 
schuldenverwaltung — ohne Unterscheidung zwischen Schulden des früheren Kammergutes und 
der Steuerkasse — den Ständen verblieb, wurde die Grundlage geschaffen, auf welcher das 
württemberg. Etatsrecht, die Theilnahme der Stände an der Finanzverwaltung beruht. 
Bei der den Ständen hierbei zukommenden materiellen Mitwirkung ist zu unter- 
scheiden: 
1. Die Feststellung der Staatsausgaben („des Staatsbedarfs“). Der Finanzminister 
hat den Ständen den Hauptetat vorzulegen, wogegen jeder einzelne Minister die Aus- 
gaben für sein Ministerium besonders zu berechnen und zu erläutern hat. Es muß hierbei 
eine genaue Nachweisung über die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der zu machenden Aus- 
gaben gegeben werden ²). Den Ständen steht dann in beiden Richtungen das Recht der 
Prüfung zu, sie können auch weitere Aufklärung von der Regierung verlangen und soweit 
diese nicht gewährt wird, die fragliche Ausgabeposition ablehnen. Dagegen sind die Stände, 
da ihnen bei Abgabegesetzen die Initiative nicht zusteht, nicht befugt, Ausgaben in den 
Etat einzustellen oder Ausgabeposten über den von der Regierung exigirten Betrag zu 
erhöhen, wohl aber ihre Bereitwilligkeit zu einer Verwilligung auszusprechen oder die 
Regierung um Einbringung oder Erhöhung einer Exigenz zu bitten ³). Die Prüfung 
darüber, ob eine einzelne Ausgabe nothwendig oder ob sie nützlich sei, steht zwar den 
Ständen zu, dagegen sind sie nicht berechtigt, wirklich nothwendige Ausgaben zu ver- 
weigern ⁴). Letzteres ergibt sich aus der Vorschrift des § 110 der V. U., welcher nur 
mit Rücksicht hierauf zwischen nothwendigen und nützlichen Ausgaben unterscheidet, wie 
nicht minder aus § 124, welcher den Ständen ausdrücklich die Pflicht auferlegt: „die nach 
gewissenhafter Prüfung für nothwendig erkannten Steuern zu verwilligen“. Die Noth- 
wendigkeit kann sowohl eine rechtliche als eine thatsächliche sein. Rechtlich nothwendig sind 
namentlich alle Ausgaben, welche direkt auf einem Gesetze ⁵) beruhen oder wenigstens eine 
gesetzliche Einrichtung oder Anstalt bedingen oder welche — wie die Gehalte der auf 
Grund bestehender Gesetze oder Etatsverabschiedungen bereits angestellten Beamten — auf 
 
1) Vgl. auch A. Widenmeyer, Das Etats- u. Kassenwesen des Königr. Württemberg 1885. 
2) V. U. §§ 110, 111. 
3) Vgl. auch Mohl, I S. 631 und jetzt das V.G. vom 23. Juni 1874 Art. 6. 
4) Es handelt sich hier um eine staatsrechtliche, nicht um eine privatrechtliche Pflicht der 
Volksvertretung; vgl. über diese vielerörterte Frage: Laband, R. St. R. II S. 993 ff. und die 
dort Note 2 angef. Litteratur, und für Württemberg Mohl, 1 S. 625ff, 632 ff. 
5) Im Gegensatze zur bloßen Verabschiedung durch das Etatsgesetz.
	        
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