274 Das deulsche Reich und seine eintelnen Glieder (Nov. 7.)
7. November. (Preußen.) Die Regierung erläßt dem für
Breslau ernannten Capitularvicar den Eid, hebt für die Diöcese
das Sperrgesetz auf und gibt dem Domcapitel die Vermögensver-
waltung zurück.
7. November. (Sachsen.) II. Kammer: Generaldebatte über
das Budget für 1882/83: Finanzdarlegung des Finanzministers
v. Könneritz.
Derselbe kann dießmal von den finanziellen Verhältnissen des sächsi-
schen Staates ein freundlicheres Bild entrollen, als in den früheren Jahren.
Auf allen Gebieten sind jo günstige Momente der Rentabilität eingetreten,
daß man hoffen dürfe, den schon jeßt um 30 Procent ermäßigten Steuer-
zuschlag vielleicht schon kn der übernächsten Finanzperiode ganz verschwinden
zu sehen. Erhebliche Ersparnisse, führt der Minister zuletzt aus, seien zwar
für jeyt noch nicht zu erwarten, zumal sich eine Erhöhung der Matricular=
beiträge nöthig mache und einige Nachtragspostulate auch nicht * umgehen
sein würden; immerhin aber dürften die Ueberschüsse 7—8 Mill. Mark be-
sragen und für die nächste. Finanzperiode ließe sich ein leberschuß von etwa
0 Mill. Mark prognosticiren.
7. November. (Hefsen.) II. Kammer: der Abg. Meß stellt
einen Antrag auf Einführung des Einkammersystems, der indeß
keine Aussicht hat, angenommen zu werden.
Die dem Antrag beigefügten Motive führen u. a. Folgendes aus:
„Eine 10jährige Erfahrung hat bewiesen, daß die Volksvertretungen der ein-
zelnen deutschen Bundesstaaten seit Einführung der Reichsverfassung vom
16. April 1871 in der öffentlichen Meinung an Ansehen nicht unerheblich
eingebüßt haben. Diese Einbuße ist die natürliche Folge des Uebergangs
eines großen Theiles des Gesetzgebungs= und Aussichtsrechtes der einzelnen
Bundesstaaten auf das Reich; mit Einschränkung des Wirkungskreiles der
Volksvertretungen ward auch ihr Einfluß auf die Gesetgebung und Ver-
waltung der Bundesstaaten verringert und hiermit die Bedentung ihrer po-
litischen Stellung namhaft abgeschwächt. Der Schwerpunct der Bundes-
staaten ist verrückt; er liegt nach Innen und Außen vorwiegend im Neiche,
der Reichskag hat in wichtigen Se iehungen, namentlich in eigentlich poli-
tischen Fragen, die Erbschaft d olksvertrelungen der Bundesstaaten an-
getreten. Dieses Verhältniß win sich mit dem nothwendigen Ausbau der
Neich-verfassung, Lhamentlich mit Einführung einer einheillichen Gejehgebung
über das bürgerliche Recht und die noch erforderlichen Ergänzungs= und
Ausführungsgesetze zu der deutschen Iustizreform mehr und mehr zu Un-
gunsten der einzelnen Bundessiagten verschärfen. Gleichwohl ist den Leß-
teren noch ein weites Feld der Gesehgebung verblieben. Es muß deßhalb
als eine eminent patriotische Hufgebs der einzelnen Bundesstaaten betrachtet
werden, die Bedentung und Stellung der Volksvertretung zu stützen und.
soweit möglich, zu heben. Als das wirksamste Mittel hiefür erscheint die
Stärkung und Belebung ihres Einflusses auf die Gesetgebung und Ver-
waltung des einzelnen Bundesstaates, demnach aber die Einführung des Ein-
lammersystems, wodurch die eigentliche Vertretung der Bolkseinheit, die
Wahlkammer, erst zu einem wahrhaften Factor der Gesehgebung erhoben
wird. Ueberdieß muß gegenüber den vorwiegend centralistischen Strömungen
der Gegenwart, welche im Laufe der Zeit sich voraussichtlich eher verstärken
als vermindern werden, die Befolgung einer entschieden freisinnigen Politik