20 Gesetz über den Kriegszustand
fassung. Durch die Annahme des Antrags würde einfach eine
zweite Strafbestimmung im Sinne des §89 RSt GB. geschaffen.
Denn wer den Zweck verfolge, Zivil= oder Militärbehörden
hinsichtlich ihrer Maßregeln irrezuführen, leiste ohne Zweifel
vorsätzlich einer feindlichen Macht Vorschub und füge der
eigenen Kriegsmacht Nachteile zu, was den Tatbestand des
8§ 89 RStG#B. erfülle.
b) In der Sitzung der KM. vom 28. Okt. 1912 (Sten.
Ber. S. 511) stellte Abg. Müller-München VIII den Antrag,
im Hinblick auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts das
Wort „wissentlich"“ durch „wider besseres Wissen“ zu ersetzen,
um damit wenigstens möglichst die Auwendung des dolus
eventualis namentlich für die Presse zu vermeiden.
Der Justizminister v. Thelemann erklärte dazu: „Nach
Art. 4 Nr. 1 soll nur bestraft werden, wer in Beziehung auf
Zahl, Marschrichtung und angebliche Siege des Feindes wis-
sentlich falsche Gerüchte ausstreut und verbreitet, die geeignet
sind, die Zivil= und Militärbehörden hinsichtlich ihrer Maß-
nahmen irre zu führen. Erforderlich ist also zunächst, daß
der Täter die Unrichtigkeit der Gerüchte kennt; er muß wissen,
daß es ein falsches Gerücht ist. Erforderlich ist aber ferner,
daß das falsche Gerücht geeignet ist, die Zivil= und Militär-
behörden irre zu führen. Auch dies muß nach dem Wortlaute
des Artikels der Täter wissen. Er muß sich bewußt sein,
daß die falsche Nachricht die Behörden irre führen kann, daß
er also durch die Verbreitung des Gerüchts unter Umständen
einen erheblichen Schaden anstiften kann. Nun, wer weiß,
daß ein Gerücht falsch ist, und wer weiß, daß dieses Gerücht
geeignet ist, die Zivil= oder Militärbehörden irre zu führen,
und wer trotzdem das Gerücht ausstreut oder verbreitet, der
kann sich wahrlich nicht darüber beklagen, daß er bestraft
wird. Das Delikt des Art. 4 Nr. 1 kann übrigens wie auch
alle Delikte des Art. 4 nur vorsätzlich begangen werden. Wäre
eine fahrlässige Begehung desselben möglich, so könnte viel-
leicht die Presse Gefahr laufen, daß sie für eine Nachricht,
für die sie nicht die volle Verantwortung tragen kann, straf-
rechtlich zur Verantwortung gezogen wird. So aber halte
ich die Besorgnis des Herrn Abgeordneten für vollkommen
unbegründet.“