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76 Die Gerichtsverfassung
Die Amtsgerichte sind Einzelgerichte, d. h., wenn sie auch
mit einer größeren Anzahl von Amtsrichtern besetzt sind, so teilen
diese sich doch in die Geschäfte und jeder Fall wird (soweit nicht in
Strafsachen Schöffen mitwirken) nur von einem Richter behandelt
und entschieden. Die übrigen Gerichte dagegen sind Kollegial-
gerichte, d. h. bei ihnen werden die Entscheidungen durch ein
Kollegium von Richtern nach Stimmenmehrheit gefaßt. Die Kolle-
gialgerichte sind in Abteilungen gegliedert, welche bei den Land-
gerichten Kammern (SZivilkammern, Kammern für Handelssachen
und Strafkammern), bei den Oberlandesgerichten und beim Reichs-
gericht Senate (Zivilsenate und Strafsenate) heißen. Den Vorsitz
in einer jeden Kammer eines Landgerichts führt in der Regel ent-
weder der Präsident des Gerichtshofs selbst oder ein Landgerichts-
direktor, während den Senaten bei den Oberlandesgerichten und dem
Reichsgericht entweder der Präsident des ganzen Gerichtshofs oder
ein Senatspräsident vorsitzt.
Von erheblicher, in Zukunft wohl noch wachsender Bedeutung"
ist die Mitwirkung nichtrechtsgelehrter Richter, der sog. Laien-
richter : sie ist die beste Bürgschaft dafür, daß den Gerichten das
so nötige Vertrauen des Volkes bewahrt bleibt, indem sie verhütet,
daß die Rechtsprechung im Laufe der Zeit mit dem Volksempfinden
in Widerspruch gerät. In Zivilsachen wirken die Handelsrichter, in
Strafsachen die Schöffen und die Geschworenen als nichtrechtsgelehrte
Richter mit.
Neben den ordentlichen Gerichten bestehen für einzelne Arten
von Rechtssachen noch besondere Gerichte, so für Zivilsachen
die bereits erwähnten Gemeindegerichte, die Gewerbegerichte und die
Kaufmannsgerichte, ferner für Strafsachen die Militärstrafgerichte.
Bei allen diesen Gerichten wirken gleichfalls Laienrichter in weitem
Umfange mit.7
4. Die Hilfspersonen der Gerichte.
Die Tätigkeit der Gerichte wird unterstützt durch die Gericht 3O
schreibereien, in denen die protokollarische Aufnahme der Partei-
erklärungen, die Besorgung des Aktenwesens (Registratur) und die
Ausfertigung der gerichtlichen Verfügungen erfolgt. Der Vorstand
führt in Bayern in der Regel den Titel Sekretär. Den Ge-
richtsvollziehern ferner ist die Besorgung der Zustellungen
* Bei der zurzeit in Vorbereitung befindlichen Reform des Strafver-
fahrens werden voraussichtlich auch die Strafkammern der Landgerichte
ähnlich wie unsere jetzigen Schöffengerichte organisiert werden.
!* Ueber diese besonderen Gerichte siehe Näheres bei Besprechung des
Gerichtsverfahrens. Wegen der Konsulargerichte s. Nr. 1303.