Die strafbaren Handlungen im allgemeinen 83
zu bestimmen, welche Strafen auf den Diebstahl, den Hausfriedens-
bruch usw. gesetzt sind, sondern es zergliedert auch die Begriffe der
einzelnen strafbaren Handlungen, indem es z. B. sagt, daß wegen
Diebstahls bestraft werden soll, „wer eine fremde bewegliche Sache
einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig
zuzueignen“. Die Gesamtheit der gesetzlichen Merkmale einer straf-
baren Handlung heißt ihr Tatbestand. Der Richter muß daher,
bevor er eine Strafe ausspricht, stets prüfen, ob ein solcher Tatbestand
einer strafbaren Handlung vorliegt, d. h. ob alle einzelnen Tatbe-
standsmerkmale gegeben sind.
3. Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Die meisten strafbaren Handlungen setzen eine vorsätzliche
Begehung: (Dolus — böse Absicht) voraus. In diesen
Fällen gehört aber zur Strafbarkeit nicht etwa nur, daß der Täter
seine äußere Tat absichtlich begangen und den etwa zum Tatbestand
der strafbaren Handlung gehörigen Erfolg dieser Tat gewollt hat,
sondern auch, daß er das Vorhandensein aller zum gesetzlichen Tatbe-
stande gehörenden Tatumstände gekannt hat; denn nur die ihm be-
kannten Tatumstände können ihm zugerechnet werden.“s
1½ Der verbrecherische Vorsatz, d. h. der Wille, das zu tun, was
das Gesetz als strafbar bezeichnet (z. B. einen anderen zu töten), darf weder
mit dem Beweggrund (Motiv) der Tat, noch mit dem Zweck verwechselt wer-
den, welchen der Täter mit der Tat verfolgte. Unter dem Beweggrund
versteht man die innere Triebfeder der Tat, z. B. Haß, Rachsucht oder Ge-
winnsucht, während der Zweck der Tat gleichbedeutend ist mit dem Ziel,
das man mittels Verübung der Tat erreichen will. So kommt der Raub-
mörder aus dem Beweggrund der Geldgier zum Vorsatz der Tötung seines
Opfers und er begeht die Tat zum Zweck seiner Beraubung. Der Beweg-
grund und der Zweck der Tat sind zwar regelmäßig für ihre moralische
Beurteilung und daher für die Strafausmessung von Bedeutung, häufig
aber nicht für den Tatbestand der strafbaren Handlung selbst; für den Tat-
bestand des Mordes z. B. macht es keinen Unterschied, ob die Tat aus Haß
oder aus Geldgier und zum Zwecke des Raubes verübt wurde.
Zur Erklärung ein Beispiel: Der mit seinem Nachbarn wegen
einer Grenzmauer in Streit lebende Landwirt A hat diese dem Nachbarn
gehörige und auf dessen Grund befindliche Mauer trotz des Widerspruchs
des Nachbarn niedergerissen. Es frägt sich, ob der Tatbestand der straf-
baren Sachbeschädigung vorliegt, d. h., ob A „vorsätzlich und rechtswidrig
eine fremde Sache beschädigt oder zerstört hat“. Zunächst wird der Richter
unbedenklich feststellen, daß die sog. objektiven (d. h. äußeren) Tat-
bestandsmerkmale der Sachbeschädigung vorliegen; denn die Zer-
störung einer Sache hat zweifellos stattgefunden; sie hat eine fremde Sache
betroffen und sie ist objektiv rechtswidrig geschehen, weil der Täter zu ihr
nicht befugt war. Ferner ist auch der sog. subjektive (d. h. innerliche)
Tatbestand der Sachbeschädigung insoweit wenigstens sicher gegeben,
als A die Mauer vorsätzlich (absichtlich) abgebrochen hat. Aber das genügt
noch nicht zur Feststellung einer strafbaren vorsätzlichen Sachbeschädigung;
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