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88 Das Strafrecht
IV. Von den einzelnen strafbaren Handlungen.“
1. Die Staatsverbrechen im engeren Sinne.
Die schwersten Verbrechen gegen den Staat sind der Hochverrat
und der Landesverrat. Der Hochverrat richtet sich gegen den
inneren verfassungsmäßigen Zustand des Staates; er wird be—
gangen durch jeden Angriff auf das Leben oder die Freiheit des
Kaisers oder eines Bundesfürsten und durch jeden Versuch, gewalt-
sam die Verfassung des Reichs oder eines Bundesstaates zu ändern
oder Bundesgebiet vom Reich oder einem Bundesstaate loszureißen.
Wegen ihrer Gefahr für die Allgemeinheit ist auch schon jede Vor-
bereitung und Verabredung des Hochverrats sowie jede öffentliche
Aufforderung dazu mit schwerer Strafe bedroht.
Der Landesverrat besteht in einem Verrat gegenüber
einer fremden Macht, bedroht also den Bestand des Staates von
außen. Des sog. militärischen Landesverrats macht sich ein
Deutscher schuldig, der eine ausländische Regierung zu einem Kriege
gegen das Reich zu bestimmen sucht oder in einem solchen Kriege ent-
weder in der feindlichen Kriegsmacht dient oder sonst irgendwie (3. B.
durch Lieferungen, durch Verrat von Plänen, Festungen oder Trup-
penbewegungen oder durch Spionage) dem Feinde Vorschub leistet.
Der sog. diplomatische Landesverrat wird begangen durch Ver-
rat von Staatsgeheimnissen, Festungsplänen, geheimen Aktenstücken
u. dgl. an eine ausländische Regierung, durch absichtliche Vernichtung
oder Verfälschung solcher Urkunden oder durch Verrat in aufgetra-
genen Staatsgeschäften. Ein Hoch= oder Landesverrat, der sich gegen
Kaiser oder Reich richtet, wird vom Reichsgericht in erster und letzter
Instanz abgeurteilt.
Gegen tätliche Angriffe und Beleidigungen sind der Kaiser und
die deutschen Bundesfürsten sowie deren Familien durch die auf die
Majestätsbeleidigung gesetzten strengen Strafen geschützt;
doch tritt bei Beleidigungen (anders ist es bei tätlichen Angriffen)
Bestrafung wegen Moajestätsbeleidigung nur dann ein, wenn die
Beleidigung in der Absicht der Ehrverletzung böswillig und mit
Ueberlegung begangen wird. Liegen letztere Voraussetzungen nicht
vor, so greifen bloß die allgemeinen Bestimmungen über Beleidi-
gungen Platz. Aber auch Beleidigungen fremder Fürsten sowie
hochverräterische Handlungen gegen auswärtige
Staaten finden bei uns Bestrafung, vorausgesetzt, daß in dem
* Das Folgende enthält keineswegs eine erschöpfende Aufzählung aller,
sondern nur eine kurze Erörterung der hauptsächlichsten strafbaren Hand-
lungen.