Von den einzelnen strafbaren Handlungen 93
dem es jede unsittliche Handlung an Mädchen oder
Knaben unter vierzehn Jahren, und zwar auch schon jede unzüch-
tige Berührung solcher Kinder, als schweres Verbrechen mit Zuchthaus
von mindestens einem Jahre (bei mildernden Umständen mit minde-
stens einem halben Jahre Gefängnis) ahndet. Die Verführung eines
noch nicht 16 Jahre alten, unbescholtenen Mädchens findet auf Antrag
der Eltern oder des Vormunds der Verführten gerichtliche Bestra-
fung.
Als strafbare Blutschande betrachtet das Gesetz nicht nur
den unsittlichen Verkehr zwischen nahen Blutsverwandten, sondern
auch den zwischen Stiefeltern und Stiefkindern und zwischen
Schwiegereltern und Schwiegerkindern, und zwar auch dann noch,
wenn die Ehe, welche diese Schwägerschaft begründet hatte, nicht
mehr besteht.
Auf die Ehe beziehen sich das Verbrechen der Doppelehe
(Bigamie) und der Ehebruchs letzterer wird nur dann, wenn die
Ehe seinetwegen geschieden worden ist, und nur auf Antrag des
beleidigten Ehegatten gerichtlich bestraft.
Daß ein gewaltsamer Angriff auf die Geschlechtsehre einer
Frauensperson (insbesondere das Verbrechen der Notzucht) sowie
unsittliche Verfehlungen von Vormündern, Geistlichen, Lehrern usw.
gegen ihre minderjährigen Pfleglinge oder Schüler schwere Strafen
verlangen, bedarf keiner weiteren Ausführung; aber auch der unsitt-
liche Verkehr mit einer geisteskranken oder geistesschwachen Frauens-
person bildet ein Verbrechen.
Unter Kuppelei endlich versteht man die Förderung des
unsittlichen Verkehrs anderer; sie erfordert eine besonders strenge
Bestrafung, wenn sie aus Eigennutz oder gewohnheitsmäßig oder von
Eltern oder Fürsorgern begangen wird.
7. Vergehen gegen die Ehre anderer.
Die unberechtigte, absichtliche Darlegung der Mißachtung einer
Person heißt Beleidigung. Eine solche Beleidigung kann aber nicht
nur durch Schimpfworte oder durch Gebärden oder mittels einer Tät-
lichkeit begangen werden (einfache oder formelle Belei-
digung)) viel schwerer wiegt sie in der Regel, wenn sie dadurch
verübt wird, daß über einen anderen (sei es nun diesem ins Gesicht
oder in seiner Abwesenheit gegenüber Dritten) eine Tatsache
behauptet wird, welche ihn verächtlich zu machen oder in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, z. B. er habe
gestohlen oder gelogen. Wer eine solche Tatsache behauptet, muß sie
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