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102 Das Strafverfahren
wälte bzw. Oberstaatsanwälte, beim Reichsgericht ein
Oberreichsanwalt und mehrere Reichsanwälte bestellt.
Die Staatsanwälte (mit Ausnahme der Amtsanwälte) müssen
zum Richteramt befähigt sein, also die beiden juristischen Staats-
prüfungen (s. Nr. 207) abgelegt haben. Sie sind aber nicht Richter,
sondern Verwaltungsbeamte, und haben daher den dienstlichen An-
ordnungen ihrer Vorgesetzten (insbesondere auch darüber, ob eine
Strafverfolgung einzuleiten und durchzuführen ist) Folge zu leisten.
2. Strafgerichte erster Instanz sind die bei den Amts-
gerichten gebildeten Schöffengerichte, die Strafkam-
mern der Landgerichte und die bei den Landgerichten periodisch zu-
sammentretenden Schwurgerichte.
a. Die Schöffengerichte bestehen jeweils aus einem Amts-
richter, der den Vorsitz führt, und zwei Schöffen. Die letzteren
werden auf folgende Weise bestimmt: Zunächst wird alljährlich in
jeder Gemeinde ein Verzeichnis aller Personen aufgestellt, welche zum
Schöffenamte berufen werden können; diese Verzeichnisse werden in
den Gemeinden öffentlich aufgelegt und mit den etwa da-
gegen erhobenen Einsprachen dem Amtsgericht eingesendet. Bei
letzterem tritt hierauf ein Ausschuß zusammen, der aus dem Amts-
richter, einem Verwaltungsbeamten und sieben Vertrauensmännern
des Bezirks besteht. Dieser Ausschuß wählt die für das nächste Jahr
erforderlichen Schöffen und Hilfsschöffen (s. unten) aus. In welchen
Sitzungen die einzelnen Schöffen sodann mitzuwirken haben, wird
für das ganze Jahr im voraus durch das Los bestimmt. Ist ein
Schöffe am Erscheinen verhindert, so wird an seiner Stelle einer der
in der Nähe des Gerichtssitzes wohnenden sog. Hilfsschöffen
beigezogen.
Die Schöffen haben nicht nur über die Schuldfrage, sondern
auch über die Frage der Strafhöhe mitzuentscheiden und überhaupt
(abgesehen von der Führung des Vorsitzes) die gleichen richterlichen
Befugnisse, wie der vorsitzende Amtsrichter. Die Schöffen (wie auch
die Geschworenen) erhalten bei Ausübung ihres Ehrenamtes nur eine
Reisekostenvergütung, keinen Ersatz für entgangenen Verdienst.
* Zum Amt eines Schöffen oder Geschworenen sind besonders nicht
zu berufen Personen unter 30 Jahren, ferner solche, die in schwerer Straf-
untersuchung oder im Konkurs sich befinden oder in den letzten drei Jahren
Armenunterstützung empfangen haben oder noch nicht zwei Jahre in der
Gemeinde wohnen, ferner auch nicht Dienstboten, Volksschullehrer, Geist-
liche, Gerichtsvollzieher und aktive Militärpersonen. Das Amtablehnen
dürfen unter anderen solche, welche im letzten Jahre als Geschworene oder
mindestens fünfmal als Schöffen beigezogen waren, ferner Personen von
über 65 Jahren, Apotheker ohne Gehilfen und Aerzte.