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112 Das Strafverfahren
umzuwandeln, steht nur dem Landesherrn #1 zu. Todesstrafen dürfen
nur vollstreckt werden, nachdem eine Entschließung des Staatsober=
haupts ergangen ist, daß es von seinem Begnadigungsrecht keinen
Gebrauch machen wolle.
7. Besondere Verfahrensarten.
a. Strafbefehle, Strafverfügungen und Straf-
bescheide.
Bei Uebertretungen und bei einer Anzahl leichterer Vergehen
gestattet die Strafprozeßordnung, daß die Strafe (jedoch höchstens
eine Freiheitsstrafe von 6 Wochen oder eine Geldstrafe von 150 M.)
ohne vorherige mündliche Verhandlung auf Antrag der Staats-
anwaltschaft seitens des Amtsgerichts durch schriftlichen Strafbe-
fehl festgesetzt werde. Erhebt der Beschuldigte gegen den Strafbe=
fehl binnen einer Woche Einspruch, so kommt die Sache zur Verhand-
lung vor dem Schöffengericht, andernfalls wird der Strafbefehl voll-
streckbar.
Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Steuer-
gesetze über die direkten Steuern sind in Bayern die Rent-
ämter und bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der
Zollgesetze und der Steuergesetze über die indirekten Steuern die
Zollbehörden (Hauptzollämter, Nebenzollämter, Zollämter)
befugt, durch schriftlichen Strafbescheid die durch das Gesetz angedroh-
ten Strafen selbst (also ohne Eingreifen der Gerichte) festzusetzen.
Doch können sie nur auf Geldstrafen oder auf Einziehung erkennen.
Gegen diese Bescheide kann binnen einer Woche nach der Bekannt-
machung auf gerichtliche Entscheidung angetragen werden. Das Ge-
richt prüft dann im regelmäßigen Verfahren, ob die Strafe zu Recht
erkannt wurde oder nicht. Bei den Strafbescheiden wegen Verletzun-
gen der Gesetze über die direkten Steuern kann anstatt der Entschei-
dung des Gerichts auch die Entscheidung der höheren Steuerbehörde
angerufen werden.
In verschiedenen deutschen Staaten (nicht auch in Bayern) kön-
nen die Polizeibehörden durch schriftliche Strafverfügung in
einzelnen Angelegenheiten Strafen festsetzen, jedoch nur Haft bis zu
vierzehn Tagen, oder Geldstrafen, oder Einziehungen. Die Straf-
befugnis der Polizeibehörden besteht nur bei Uebertretungen; auch
*1 Dem Kaiser steht das Begnadigungsrecht zu für die vom Reichs-
gericht in erster Instanz, insbesondere wegen Hoch= oder Landesverrats aus-
gesprochenen Strafen, sowie für die in Elsaß-Lothringen erfolgten Ver-
urteilungen.