Vom Familienrecht 165
meindewaisenrat, in Gemeinden, in denen der Gemeindewaisenrat
nicht als Kollegium organisiert ist, aber vom Bürgermeister aufge—
stellt.6
Auf Grund letztwilliger Verfügung der Eltern des Mündels oder
in geeigneten Fällen auch auf den Antrag von Verwandten wird end-
lich für eine Vormundschaft vom Amtsgericht auch ein Familien-
rat eingesetzt; er besteht aus dem Vormundschaftsrichter als dem
Vorsitzenden und aus Verwandten oder Verschwägerten des Mündels
und tritt an die Stelle des Vormundschaftsgerichts, ist also insbeson-
dere zuständig zur Ernennung, Ueberwachung und Entlassung des
Vormundes und zur Genehmigung von Rechtsgeschäften desselben.
2. Die Vormundschaft über Volljährige und die Pflegschaften.
Volljährige stehen unter Vormundschaft nur dann, wenn
sie wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht oder Ver-
schwendung entmündigt sind (s. Nr. 347); für sie kommen als Vor-
münder in erster Reihe die Eltern und der Ehegatte in Betracht.
Während des Entmündigungsverfahrens (s. Nr. 622) werden sie er-
forderlichenfalls einstweilen unter vorläufige Vormund-
schaft gestellt.
Für solche Geschäfte, bei welchen ein Minderjähriger von
seinen Eltern oder seinem Vormunde nicht vertreten werden kann,
wird ihm zur Vertretung seiner Interessen ein besonderer Pfle-
ger bestellt. So z. B. für eine Erbschaftsverhandlung, bei welcher
der Vater selbst in der Weise beteiligt ist, daß seine Interessen denen
des Kindes zuwiderlaufen, oder für die Verwaltung eines Ver-
mächtnisses, das dem Kinde mit der Bestimmung zugewendet
wurde, daß dem Vater oder Vormunde die Verwaltung nicht zu-
stehen solle.
Für einen Volljährigen kann ferner (jedoch in der Regel
nur mit seiner Einwilligung) ein Pfleger ernannt werden, wenn
er infolge körperlicher Gebrechen (z. B. wegen Taubheit oder Blind-
heit) seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Ein solcher
1% In Bahern sind die Rechte und Pflichten des Vormunds auch den
Verwaltungskommissionen einiger städtischer Waisen-
häuser eingeräumt. Desgleichen kann bei Minderjährigen, die unter
Aufsicht eines Gemeindebeamten in einer Familie oder in einer Anstalt
erzogen werden — bei unehelichen Kindern auch dann, wenn sie unter Auf-
sicht der Gemeindebeamten in der mütterlichen Familie erzogen werden —
der Gemeindebeamte in erster Linie vom Vormundschaftsgerichte als
Vormundbd bestellt werden, also vor den Personen, die zunächst das Recht
hätten, Vormund zu werden. Desgleichen können in solchen Fällen den
Gemeindebeamten durch Gemeindestatut die Rechte eines Vormunds über-
tragen werden. Hier bedarf es also nicht einmal der Bestellung durch das
Vormundschaftsgericht.
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