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218 Die innere Verwaltung
für Aufrechterhaltung der guten Sitte und Ordnung usw. Sie ist
ferner auf Förderung der Landwirtschaft und der Gewerbe, wie auf
Hebung des Handels und des Verkehrs bedacht.
Von der Rechtspflege (Justiz) ist die Verwaltung ihrem
Wesen nach scharf getrennt: Dem Richter liegt ausschließlich ob, die
Gesetze zur Anwendung zu bringen; er hat in Zivilprozessen zu ent-
scheiden, auf wessen Seite nach dem Gesetze das Recht ist, er
hat bei der Strafrechtspflege festzustellen, ob und wie eine Handlung
nach dem Gesetze mit Strafe geahndet werden muß. Für eine
Fürsorgetätigkeit ist hier im allgemeinen kein Raum. Anders bei der
Tätigkeit des Verwaltungsbeamten. Wohl hat auch dieser selbstver-
ständlich die Gesetze und Verordnungen strenge zu beachten; seine
Maßnahmen und Anordnungen dürfen nicht in die wohlerworbenen
Rechte der Privatpersonen eingreifen, und sie müssen ferner den Vor-
schriften entsprechen, welche in den Gesetzen und Verordnungen für
die einzelnen Gebiete der Verwaltung gegeben sind. Aber der Ver-
waltungsbeamte vollzieht nicht bloß die Gesetze, er entfaltet darüber
hinaus innerhalb der ihm durch die Gesetze gezogenen Grenzen
eine freie, auf die Förderung des allgemeinen Wohles gerichtete
Tätigkeit.“
Aus dieser grundsätzlichen Verschiedenheit der richterlichen und
der Verwaltungstätigkeit entspringt auch die verschiedene Stellung
der Richter und der Verwaltungsbeamten gegenüber ihren vorgesetzten
Behörden. Da nämlich die Richter allein und ausschließlich dem Ge-
setze zu folgen haben, so müssen sie bei ihren Entscheidungen auch un-
abhängig sein von etwaigen Weisungen der vorgesetzten Behörden.
Welche Maßnahmen dagegen bei der Verwaltung im einzelnen Falle
zweckmäßig sind, das vermag im Zweifel die obere Behörde besser zu
beurteilen, als die untere; daher hat jede Verwaltungsbehörde den
Weisungen der vorgesetzten Behörde Folge zu leisten.
Der Staat übt die innere Verwaltung nicht ausschließlich durch
seine eigenen Behörden und Beamten aus; vielmehr hat er einzelnen
öffentlichen Korporationen (Bayern insbesondere den politischen Ge-
meinden, den Distrikten und den Kreisen) in gewissem Umfange die
Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten überlassen. Man spricht
daher im Gegensatze zu der eigentlichen Staatsverwaltung
von der Selbstverwaltung der Gemeinden und Kreise.
Man denke z. B. an den Bau von Straßen und Eisenbahnen, Schul-
häusern, Irrenanstalten, an die Veranstaltung von Ausstellungen zur He-
bung der Gewerbe u. dergl. In allen diesen Fällen ist die Verwaltungs-
tätigkeit im wesentlichen frei, nur durch wenige Vorschriften sowie durch die
Rücksicht auf die vorhandenen Geldmittel gebunden.