Die bayerische Verwaltungsrechtspflege 223
rechtspflege geschaffen, zu deren Ausübung Verwaltungs-
gerichte bestehen.
2. In Bayern ist die Verwaltungsrechtspflege nicht vollständig
ausgebildet. Es gilt nicht der Grundsatz, daß wie für alle bürgerlichen
Rechte der Zivilrechtsweg offen steht, so auch für alle dem öffentlichen
Rechte angehörigen Ansprüche der Verwaltungsrechtsweg beschritten
werden kann, sondern er ist nur in gewissen einzelnen, im Gesetze ein-
zeln aufgeführten Angelegenheiten zulässig. Der Verwaltungsrechts-
weg ist z. B. zulässig bei Streitigkeiten über Erwerb und Besitz der
Reichs- und Staatsangehörigkeit, über Freizügigkeit, über religiöse
Kindererziehung, über das Recht der Grundeigentümer zur Aus-
übung der Jagd, über den Umfang des Selbstverwaltungsrechts der
Gemeinden, über kirchliche Simultanverhältnisse, über Ansprüche und
Verbindlichkeiten aus dem Kirchen= und Pfarrverbande.
Außerdem ist auch die Organisation der Verwaltungs-
gerichte nicht ausgebildet. Als selbständiges Gericht besteht näm-
lich nur der Verwaltungsgerichtshof in München: dieser
ist aber im wesentlichen nur oberste Instanz und daneben in einigen
besonders bestimmten Angelegenheiten, in denen es überhaupt nur
eine Instanz gibt, die einzige verwaltungsrechtliche Instanz. Un-
tere Instanzen sind, von geringen Ausnahmen abgesehen, die allgemei-
nen Organe der inneren Verwaltung, also Magistrate, Bezirksämter
und Kreisregierungen; sie sind deshalb in derselben Sache nicht selten
zugleich Partei und Richter und auch persönlich nicht mit den Garan-
tien ausgestattet, die man auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege und
der Strafrechtspflege für die Richter fordert. Ihre Entscheidungen
sind jedoch, soweit sie verwaltungsrechtlicher Natur sind, insoferne ge-
schützt, als sie nicht von den Ministerien aufgehoben werden könnmen.
. 3. Der Verwaltungsgerichtshof, dessen Mitglieder
richterliche Rechte haben, ist besetzt mit einem Präsidenten, zwei
Senatspräsidenten und einer Anzahl Räten.s Die Ernennung zum
Richter des Verwaltungsgerichtshofs ist bedingt durch den Nachweis
der Fähigkeit zum Richteramt. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet
in der Regel in Senaten von fünf Mitgliedern. Zur Vertretung der
öffentlichen Interessen ist beim Verwaltungsgerichtshof ein General—
staatsanwalt mit Staatsanwälten als Nebenbeamten aufgestellt.
Dieser ist an die Weisungen des beteiligten Ministeriums gebunden.
Die dienstliche Aufsicht über den Verwaltungsgerichtshof hat das
Ministerium des Innern, es kann sie jedoch gegenüber den Richtern
Sind beim Verwaltungsgerichtshof in einem einzelnen Fall die er-
forderlichen Richter nicht vorhanden, so öine zur Ergänzung Mitglieder
des Obersten Landesgerichts beigezogen werden.
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