Bur Einführung.
A. Vom Staat überhaupt.
Die ursprünglichste und engste Vereinigung mehrerer Menschen ist r
die Familie, deren Bestand sich gründet auf die durch die Natur
dem Menschen eingegebene Liebe und Fürsorge der Gatten zu ein-
ander und zu den gemeinschaftlichen Kindern. Sie ist nicht nur die
Heimat des reinsten dem Menschen beschiedenen Glückes, sondern zu-
gleich die Pflanzstätte der wertvollsten menschlichen Tugenden, näm-
lich der Treue und der selbstlosen, freiwilligen Unterordnung und
Hingabe an andere, ohne welche eine Weiterentwicklung und Vervoll-
kommnung des Menschengeschlechtes nicht möglich wäre. Daher bildet
die Familie auch die Grundlage eines jeden Volkes; wenn ihre Bande
in einem Volk sich lockern und zerfallen, ist regelmäßig auch das Volk
selbst dem Untergang nahe.
Aus den Familien entwickeln sich naturgemäß durch Heirat der 2
Kinder die Geschlechter oder Stämme, d. h. die Vereinigun-
gen der durch Verwandtschaft zusammengehörigen Familien. Die
durch Gemeinsamkeit der Abstammung, Sprache und Sitte mit-
einander verbundenen Geschlechter und Stämme endlich bilden zu-
sammen ein Volk. So lange ein solches Volk aber noch keinen Acker-
bau treibt, sondern von der Jagd, dem Fischfang oder der Viehzucht
lebt und ständig seine Wohnsitze wechselt (sog. Nomadenvölker), bildet
es noch keinen eigentlichen Staat. Sobald es jedoch seßhaft
geworden, wird es durch die Notwendigkeit, sein Gebiet gegen
außere Feinde zu schützen, gezwungen, sich näher zusammenzu-
schließen. Das Zusammenleben auf festen Wohnsitzen erfordert
ferner die Aufstellung allgemein gültiger Vorschriften, deren Be-
achtung nötigenfalls gegenüber dem einzelnen erzwungen werden muß.
So entsteht das ungeschriebene und das geschriebene Recht eines
Volkes, so entsteht ein Staat, d. h. eine Volksgemeinschaft, welche z
allgemein verbindliche Vorschriften über sich anerkennt und zur
Glock-Schiedermair, Bürgerkunde. 1