Full text: Bürgerkunde.

2 Zur Einführung 
Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen eine gemeinsame Organi— 
sation besitzt. 
Wir ersehen hieraus, daß ein Staat in der Regel weder auf die 
Gewalt oder List der Stärkeren sich gründet, noch (wie Rousseau im 
18. Jahrhundert lehrte) auf Vertrag beruht. Das Leben und die 
Entwicklung der Völker wird vielmehr, wie das Weltall überhaupt, 
von den Naturgesetzen beherrscht, und diese sind es, die mit der ihnen 
innewohnenden Notwendigkeit die Völkergemeinschaften im Verlaufe 
ihrer Entwicklung zu Staaten formen, und zwar zumeist, ohne daß 
die einzelnen Menschen hierbei bewußt handeln. 
Die Aufgaben des Staates wachsen mit seiner Entwicklung. Da 
ein Volk nur dann einen selbständigen Staat bildet, wenn es sein 
Land frei und unabhängig von anderen Völkern besitzt, so ist zunächst 
schon im Beginn seiner Entwicklung seine Hauptaufgabe die Abwehr 
äußerer Feinde. Aber auch auf Wahrung des inneren Friedens muß 
der Staat alsbald bedacht sein gegenüber solchen Volksgenossen, welche, 
die für das Zusammenleben gegebenen notwendigen Vorschriften nicht 
achtend, dem Besitze, der Ehre oder dem Leben anderer zu nahe 
treten. Der Staat muß daher richtend und strafend die von ihm ge- 
gebene Rechtsordnung aufrechterhalten. In früherer Zeit (vgl. die 
Lehre des Philosophen Kant vom sog. Rechtsstaate) hielt man da- 
mit die Aufgaben des Staates im wesentlichen für erschöpft. Mit 
Unrecht. Für sein geistiges, sittliches, körperliches und wirtschaft- 
liches Wohl kann der einzelne allein vielfach nicht genügend sorgen. 
In allen diesen Beziehungen muß daher, unbeschadet der Freiheit der 
Staatsbürger, der Staat mit seiner stärkeren Hand helfend und för- 
dernd eingreifen. So sorgt er für den Unterricht durch Einrichtung 
von Schulen verschiedenster Gattung; er wendet große Mittel auf 
zur Pflege der das Leben verschönernden und verklärenden Künste 
und der Wissenschaften, deren Entwicklung nicht nur dem wirtschaft- 
lichen und gesundheitlichen Fortschritt dient, sondern auch immer 
tiefer in die Wunder der Schöpfung blicken läßt. Den religiösen Be- 
dürfnissen der Menschen wird der Staat durch Unterstützung und 
Förderung der kirchlichen Gemeinschaften gerecht. Für die Gesund- 
heit sorgt er durch Ausbildung des Heilpersonals, durch Einrichtung 
von Kliniken und Krankenhäusern, Irrenanstalten, Bädern, Wasser- 
leitungen u. dgl., durch Beaufsichtigung des Verkehrs mit Nahrungs- 
mitteln und durch mannigfache sonstige Vorkehrungen. Die Bau- 
polizei, Feuerpolizei und Gewerbepolizei bezweckt die Sicherheit der 
einzelnen und die Abwendung der Gefahren, welche mit den ver- 
schiedenen Gewerbebetrieben verknüpft sind. Armen und Kranken 
leistet der Staat seine Hilfe und Unterstützung, und durch Kranken-, 
Unfall--, Invaliden= und Altersversicherung wendet er den weniger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.