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268 Die innere Verwaltung
8 8. Die Fürsorge für blinde, taubstumme und
krüppelhafte Kinder.
Der Fürsorge für Blinde dient vor allem die Blinden-
erziehungsanstalt in München, sie ist bestimmt für den Unterricht
und die Erziehung Blinder; mit ihr ist eine Blindenbeschäftigungs-
anstalt verbunden; ferner ist ihr eine Versorgungsanstalt für ehe-
malige weibliche Zöglinge der Blindenerziehungsanstalt angeglie-
dert. Auch aus der Anstalt entlassene Blinde werden durch die
Anstalt in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt. Neben dieser zen-
tralen Anstalt bestehen noch in verschiedenen Städten Blindenanstal=
ten von örtlicher Bedeutung. Zur Erziehung taubstummer
Kinder besteht das Zentral-Taubstummeninstitut in München; dem
gleichen Zweck dienen eine Anzahl von ähnlichen Anstalten in den
Provinzen; der Fürsorge für arme krüppelhafte Kinder
dient die Zentralanstalt für Erziehung und Bildung krüppelhafter
Kinder in München.
§ 9. Die Zwangserziehung.
Gegen minderzährige, d. h. noch nicht einundzwanzig Jahre alte
Personen, kann die Zwangserziehung angeordnet
werden, wenn sie notwendig ist, um das sittliche Verderben, unter
Umständen auch, um die körperliche Verwahrlosung des Minderjäh-
rigen zu verhüten. Sie tritt häufig dann ein, wenn die Eltern ihre
Erziehungspflicht vernachlässigen oder sich eines ehrlosen oder unsitt-
lichen Verhaltens schuldig machen. Sie besteht darin, daß der Min-
derjährige dem Kreis, in dem er bisher lebte, entzogen und in einer
geeigneten Familie oder einer Erziehungs= oder Besserungsanstalt
untergebracht wird.
Die Zwangserziehung wird vom Vormundschaftsge-
richt, d. i. das Amtsgericht, angeordnet; der Vollzug dieser
Anordnung obliegt den Distriktsverwaltungsbehörden; diese bestim-
men, ob der Minderjährige in einer Familie oder in einer Anstalt
und in welcher Familie oder in welcher Anstalt er untergebracht wer-
den soll. Das Vormundschaftsgericht kann die Zwangserziehung auch
wieder aufheben. Sie soll über das achtzehnte Lebensjahr nur aus-
nahmsweise fortgesetzt werden. Die Zwangserziehung erfolgt auf
öffentliche Kosten, bei Personen, die in Bayern beheimatet sind,
auf Kosten der Heimatgemeinde, bei anderen Personen auf
Kosten des Staates. Heimatgemeinde und Staat können aber aus
etwaigem Vermögen des Minderzährigen oder solcher Personen, die
ihm gegenüber unterhaltspflichtig sind, Ersatz verlangen. Kann die