836
837
274 Die innere Verwaltung
Durch ein besonderes Reichsgesetz wurde dann weiter der Grund—
satz ausgesprochen, daß das religiöse Bekenntnis der Staatsangehö—
rigen ohne Einfluß auf die bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte ist.
3. Die Stellung des Staates gegenüber den Glaubensge—
sellschaften ist in Bayern verschieden, je nachdem sie als
5ffentliche Kirchengesellschaften oder als Privat-
kirchengesellschaften anerkannt sind. Als öffentliche Kirchen-
gesellschaften sind in Bayern nur anerkannt die katholische, die luthe-
rische und die reformierte Kirche. Als private Glaubensgesellschaften
sind anerkannt die griechische Kirche, die Altkatholiken, die Angli-
kaner, die Irvingianer, die Mennoniten, die Methodisten, die Herren-
huter und die Israeliten.# Die Anerkennung als private oder als
öffentliche Glaubensgesellschaft erfolgt durch den König. Nur den
öffentlichen Glaubensgesellschaften ist gestattet, ihren Gottesdienst in
voller Oeffentlichkeit auszuüben und nur ihre Diener haben die Stel-
lung öffentlicher Beamter. Den Privatkirchengesellschaften dagegen
sind zwar gottesdienstliche Zusammenkünfte gestattet, dagegen dür-
sen sie sich nicht der Glocken oder des sonstigen Gepränges der öffent-
lichen Kirchen bedienen; ihre Religionsdiener sind im Verhältnis
zum Staat nur Privatpersonen und ihre sonstigen Befugnisse bemes-
sen sich nach den ihnen bei der Aufnahme gesetzten Bedingungen.
4. Im einzelnen ist der Einfluß, den der Staat auf die Glau-
bensgesellschaften ausübt, verschieden, je nachdem es sich um innere
Kirchenangelegenheiten, um Gegenstände ge-
mischter Natur oder um weltliche Kirchenange-
legenheiten handelt. Für weltliche Angelegenheiten
hat der Staat den Grundsatz aufgestellt, daß er allein entscheidet.
Was weltliche Angelegenheiten sind, ist durch die Bestimmungen der
Verfassungsurkunde festgesetzt. Dazu gehören insbesondere die
Regelung der Vermögensverhältnisse der Geistlichen und der Kirchen,
die Pflicht zur Erbauung und Erhaltung der Kirchen und die Zulas-
eines etwaigen Ehevertrages; ist ein solcher nicht vorhanden, so folgen die
Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der der Mutter. Die Religion
der Kinder aus ungemischten Ehen, bemißt sich im allgemeinen. nach den Be-
stimmungen der Eltern. Für Streitigkeiten über die religiöse Erziehung
der Kinder ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. In erster Instanz ent-
scheidet die Distriktsverwaltungsbehörde; gegen deren Entscheidung kann
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden.
* Die Zahl der Katholiken beträgt in Bayern 4 608 469, die der
Lutheraner und Reformierten 1 844 699, die der Juden 55 341, die der An-
gehörigen sonstiger Bekenntnisse 15 863.