Grundzüge der theoretischen Volkswirtschaftslehre 325
b. Diese Mißstände der Naturalwirtschaft führen sehr bald bei
allen Völkern dazu, daß der Wert der Waren gemessen wird nach
dem Wert eines Gegenstandes, welcher allgemeine Beliebtheit und
Wertschätzung genießt, und daher auch gern allgemein in Zahlung
genommen wird. Dieser allgemein als Wertmesser sowie als Tausch—
und Zahlungsmittel „geltende“ Gegenstand heißt Geld. Mit
der Einführung des Geldes treten an Stelle jedes Tauschgeschäfts
zwei getrennte Rechtsgeschäfte: Zuerst erfolgt der Verkauf der
eigenen Waren gegen Geld, und dann wird dieses Geld zum An—
kauf der gewünschten Ware verwendet. Der Viehbesitzer wird also
nunmehr, um bei unserem obigen Beispiele zu bleiben, zunächst sein
Rind gegen Geld verkaufen und von dem gelösten Gelde nur
soviel als nötig dazu verwenden, um von einem beliebigen Salz-
besitzer (nicht nur von einem solchen, der gerade ein Rind braucht) die
Menge Salz zu kaufen, deren er zurzeit bedarf.
Als Geld diente in früheren Zeiten vielfach das Vieh, daher auch
das lateinische Wort pecunia (ursprünglich Vieh bedeutend) für
Geld.1 In vielen Gegenden Asiens und Afrikas nehmen die Kauri
(als Schmuck dienende Porzellanschnecken), in Afrika nehmen Baum-
wolltücher von bestimmter Größe jetzt noch die Stelle des Geldes ein.
Mit zunehmendem Tauschverkehr kamen und kommen jedoch alle Völker
dazu, Metalle, und zwar anfänglich Eisen, dann Kupfer und Silber
und schließlich Gold als Geld zu benützen; denn gerade die Sdel-
metalle eignen sich hierzu ganz besonders wegen ihrer mannigfachen
Verwendbarkeit zu Schmuck= und Gebrauchsgegenständen, wegen ihrer
Transportfähigkeit, welche auf dem im Verhältnis zu ihrem Wert
geringen Umfange beruht, ferner wegen ihrer Dauerhaftig-
keit (sie werden vom Rost nicht angegriffen), wegen ihrer Teilbarkeit
in beliebig große Stücke und endlich wegen ihrer verhältnismäßigen
Wertbeständigkeit.
Ursprünglich wurden die Edelmetalle bei jedem Austausch zuge-
wogen und auf ihre Echtheit geprüft, was selbstverständlich sehr zeit-
raubend und mühevoll war. Man gelangte daher bald dazu, diese
jedesmalige Wägung und Prüfung dadurch zu ersetzen, daß man den
Metallstücken ein gleiches Gewicht gab und sie mit einem obrigkeit=
lichen Stempel versah, welcher Feingehalt und Gewicht anzeigte. Die
so geprägten Geldstücke nennt man Münzen.: Mit der Verwen-
* Bekannt sind die Wertschätzungen nach Rindern bei Homer. Vom
Wort pecunia stammt auch der jetzt noch gebrauchte Ausdruck „pekuniär“.
* Von unserem staatlichen Geld= und Münzwesen wird späterhin die
Rede sein (s. Nr. 1008).
902
993
994