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328 Das Wirtschaftsleben
daher in festen Beträgen erhalten muß, so daß die Beteiligung an
dem überdies unsicheren Gewinn wirtschaftlich für ihn nur eine unter—
geordnete Rolle spielt. Auch die sog. Produktivgenossenschaften
(s. Nr. 983), bei welchen der Unterschied zwischen Arbeiter und Unter—
nehmer völlig verschwindet, scheitern meist an dem Mangel einer
freiwilligen Disziplin und einer einheitlichen, zielbewußten Leitung.
Da der Arbeitslohn nichts anderes ist als der Preis der Arbeit,
so richtet sich seine Höhe (ebenso wie der Preis der Waren, s. Nr. 989)
im allgemeinen nach der Größe des Arbeitsangebots und der Arbeits-
nachfrage. Doch kann der Arbeitslohn auf die Dauer nicht sinken
unter die Kosten, welche zum Unterhalt des Arbeiters und seiner
Familie unbedingt notwendig sind ¼, und nicht dauernd den Wert
übersteigen, welchen die Arbeit für den Arbeitgeber hat.
Von der den Arbeitern zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingun-
gen gewährten sog. Koalitionsfreiheit, von den auf Grund
ihrer gebildeten Arbeitervereinigungen und den
Arbeitseinstellungen (Streiks) zur Erzielung besserer Löhne usw.
wird späterhin noch zu reden sein (s. Nr. 1205).
3. Die Kapital= und die Grundrente. Der Kapitalzins.
Der Teil des Reinertrags eines Unternehmens, welcher auf die
Leistung des Kapitals zurückzuführen ist, heißt Kapitalrente.
Ebenso nennen wir den auf den Grund und Boden entfallenden Teil
des Reinertrags die Grundrente. Daß die letztere nicht etwa,
wie man früher lehrte, ständig steigt, das zeigen zur Genüge die
pekuniären Schwierigkeiten, mit denen gerade in neuerer Zeit unsere
Landwirtschaft zu kämpfen hat.
Der Kapitalzins ist der Preis für die Nutzung eines frem-
den Kapitals. Die Berechtigung des Zinsnehmens für ausgeliehene
Geldkapitalien ist von manchen Philosophen und Kirchenrechtslehrern
sowie auch von sozialistischer Seite bestritten worden, weil es natur-
Das von dem Nationalökonomen Ricardo aufgestellte und von den
Sozialisten früher vielfach als Agitationsmaterial gebrauchte sog. „eherne
Lohngesetz“, wonach der Arbeitslohn überhaupt auf die Dauer nicht
über den zur Lebensführung unbedingt notwendigen Betrag steigen könne,
weil sonst vermehrte Eheschließung und erhöhte Kinderzahl das Arbeits-
angebot so lange vermehre, bis der Lohn wieder auf das Mindestmaß herab-
gedrückt werde, dieses angebliche Gesetz ist durch die Tatsachen längst wider=
legt worden. So wenig zu bestreiten ist, daß der Arbeitslohn auf nicht weni-
gen Gebieten auch jetzt noch zu niedrig ist, und daß zur Verbesserung der
Lage der arbeitenden Klassen immer noch sehr viel zu tun übrig bleibt, so
ist anderseits doch ebenso sicher, daß im allgemeinen die Lebenshaltung der
Handarbeiter in den letzten 35 Jahren sich mehr gebessert hat, als vorher im
Laufe zweier Jahrhunderte.