Das Gewerbewesen 399
anzuhalten. Das Halten einer zu großen Anzahl von Lehr—
lingen kann untersagt, auch kann unzuverlässigen Personen die
Befugnis zur Beschäftigung von Lehrlingen entzogen werden. Per-
sonen, die sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden
(s. Nr. 228), dürfen überhaupt keine Lehrlinge halten. Jeder Lehr-
vertrag ist schriftlich abzuschließen. Während einer Probezeit,
welche mindestens vier Wochen und höchstens drei Monate währt, kann
das Lehrverhältnis von jedem Teil einseitig gelöst werden; später ist
dies nur aus bestimmten Gründen, namentlich beim Uebergang des
Lehrlings in ein anderes Gewerbe, gestattet. Ein die Lehre unbefugt
verlassender Lehrling kann binnen einer Woche polizeilich zur Fort-
setzung der Lehre angehalten werden. Die unberechtigte Auflösung
des Lehrvertrags verpflichtet den vertragsbrüchigen Teil zum Scha-
densersatz. Nach Beendigung der Lehre erhält der Lehrling ein
Lehrzeugnis oder einen von der Innung ausgestellten Lehr-
brief.
Neben diesen allgemeinen Bestimmungen bestehen für die
Handwerkslehrling e besondere, ihre gründliche Ausbildung
bezweckende Vorschriften. Für sie kann die Dauer der Lehrzeit in den
einzelnen Gewerbezweigen von der Handwerkskammer (s. Nr. 1201)
festgesetzt werden. Ferner sind für sie Gesellenprüfungen
eingerichtet, die von einem bei jeder Innung gebildeten, nötigenfalls
von der Handwerkskammer errichteten Prüfungsausschuß
abgenommen werden. Die Lehrlinge sind zur Ablegung dieser Prü-
fung nicht verpflichtet, sollen aber dazu angehalten werden.
Zum Halten von Lehrlingen in Handwerksbetrieben sind seit dem
1. Oktober 1908 im allgemeinen nur solche Personen berechtigt, welche
über 24 Jahre alt sind und eine Meisterprüfung bestanden haben.
Haben sie die Meisterprüfung nicht für das Gewerbe oder den Ge-
werbszweig bestanden, in dem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen
soll, so haben sie die Befugnis dann, wenn sie in diesem Gewerbe oder
Gewerbszweige entweder die Lehrzeit zurückgelegt und die Gesellen-
prüfung bestanden, oder fünf Jahre hindurch persönlich das Hand-
werk selbständig ausgeübt haben oder während der gleich langen Zeit
als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind.
Personen, die am 1. Oktober 1908 die Befugnis zur Anleitung
von Lehrlingen auf Grund der bisherigen Bestimmungen besaßen,
dürfen ihre Lehrlingen auslehren. Sind sie in diesem Zeitpunkte
mindestens fünf Jahre hindurch mit der Befugnis zur Anleitung von
Lehrlingen in ihrem Gewerbe tätig gewesen, so muß, andernfalls
kann ihnen auf ihren Antrag die weitere Befugnis dazu verliehen
werden.
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