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404 Das Wirtschaftsleben
Schiffahrtsunternehmungen, ferner an Zinsen für die in fremden
Ländern in Form von Staatsanleihen, Eisenbahnobligationen usw.
ausgeliehenen Kapitalien und endlich aus dem ausländischen Frem—
denverkehr im Inlande. So hat England seit vielen Jahren eine stark
passive Handelsbilanz, während seine Wirtschaftsbilanz, besonders
weil seine Kapitalien in der ganzen Welt gewinnbringend arbeiten,
keineswegs ungünstig ist, wie schon der meist hohe Stand der Wechsel-
kurse auf London (s. Nr. 550 Anm.) zeigt. Aehnlich verhält es sich
mit unserer deutschen Wirtschaftsbilanz, obgleich auch wir ständig eine
passive Handelsbilanz aufzuweisen haben.
4. Die heutige Handelspolitik (s. Nr. 949) ist, da eine
unmittelbare staatliche Einwirkung auf den Handel seinem Wesen
widerstrebt, hauptsächlich auf Durchführung möglichster Han-
delsfreiheit gerichtet, d. h. sie ist bestrebt, den Handel frei von
den in früheren Zeiten ihm angelegten Hemmungen sich entwickeln zu
lassen. Die ehemaligen Einfuhr= und Ausfuhrverbote, Ausfuhr= und
Durchfuhrzölle sind daher fast völlig beseitigt, und Einfuhrzölle wer-
den nur in dem Umfange erhoben, wie dies zur Deckung der Staats-
ausgaben erforderlich oder zum Schutz der einheimischen Landwirt-
schaft und Industrie dringend geboten erscheint.
Die vom Deutschen Reich mit einer Reihe von Staaten (besonders
mit Oesterreich-Ungarn, Rußland, Italien, der Schweiz, Belgien,
Serbien und Rumänien) meist auf die Dauer von 10—12 Jahren
abgeschlossenen Handelsverträge verfolgen den Zweck, die Aus-
fuhr unserer Erzeugnisse nach diesen Ländern für eine Reihe von
Jahren rechtlich zu sichern und gegen Zollerhöhungen zu schützen. In
manchen dieser Verträge ist die Höhe der beiderseits zulässigen Ein-
fuhrzölle für die verschiedenen Warengattungen einzeln bestimmt,
während andere Handelsverträge in dieser Hinsicht nur die sog.
Meistbegünstigungsklausel, d. h. die Bestimmung enthal-
ten, daß alle Rechte und Vergünstigungen, welche der eine Vertrags-
staat einem dritten Staate eingeräumt hat oder künftig ein-
räumen wird, ohne weiteres auch dem andern Vertragsstaate zu-
gestanden sein sollen.
Für die Fachbildung der Kaufleute wird durch staatliche Errich-
tung oder Unterstützung von kaufmännischen Fachschulen
(s. Nr. 792) gesorgt.
Eine feste Rechtsordnung für die Handelsverhältnisse, das Han-
delsrecht (s. Nr. 527), gibt dem Handel eine starke Stütze, und
ihm dient endlich auch, teils ausschließlich, teils vorwiegend, die be-
reits früher besprochene Gesetzgebung über Börsen (Nr. 1049),
Maße und Gewichte (Nr. 1057) und über das Münzwesen
(Nr. 1008).