Der Bundesrat 25
er kein Einspruchsrecht (sog. Veto) gegen die so beschlossenen Ge-
setze; doch ist sein Einfluß auch auf die Reichsgesetzgebung von Be-
deutung kraft des Gewichts, das ihm als König von Preußen im
Bundesrat zukommt; denn, wie wir noch sehen werden, kann auf
wichtigen Gebieten keine Veränderung der Gesetzgebung beschlossen
werden, sofern nicht die preußische Regierung im Bundesrate ihr zu-
stimmt. Der Kaiser verkündigt ferner die Reichsgesetze und über-
wacht deren Ausführung.
Endlich übt der Kaiser in Elsaß-Lothringen die Staatsgewalt
und in den deutschen Schutzgebieten die Schutzgewalt aus.
Die Person des Kaisers ist unverletzlich; er kann für Regierungs-
und Privathandlungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden; aber
seine Regierungshandlungen (die kaiserlichen Erlasse) bedürfen zu
ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Reichskanzler, der da-
mit die Verantwortlichkeit für sie übernimmt. (Siehe Nr. 16.)
G. Der Bundesrat.
1. Seine Rechtsstellung und Zusammensetzung.
Soweit die Reichsgewalt nicht dem Kaiser übertragen ist, steht
sie den „verbündeten Regierungen“ zu. Das Organ, durch
welches die Regierungen diese Gewalt ausüben, ist der Bundes-
rat, d. h. die Versammlung von Vertretern aller
Regierungen der deutschen Bundesstaaten. Die
Bundesratsbeschlüsse stellen also den Willen der verbündeten deutschen
Regierungen dar.?" Der Bundesrat ist demnach kein Organ der
Volksvertretung; man darf ihn nicht etwa mit einem sog. Herren-
hause oder einer ersten Kammer vergleichen; vielmehr verhält er sich
zu dem Volksvertretungskörper des Reichstags ähnlich wie in den
Einzelstaaten die durch die Ministerien vertretene Landesregierung
zu den Landtagen.25
Da die deutschen Bundesstaaten an Größe und Bedeutung sehr
ungleich sind, können sie im Bundesrat nicht alle gleiches Stimmrecht
haben; es werden daher die Stimmen der kleinsten Staaten im Bun-
“ Im Bundesrate üben die Landesherren diejenigen Souvberänitäts-
rechte gemeinsam aus, auf deren alleinige und selbständige Ausübung sie
zugunsten des Reichs mit dessen Gründung Verzicht geleistet haben.
*5 Dagegen hat allerdings die Einrichtung und Gestaltung des Bundes-
rats, in welchen regelmäßig von den Regierungen nur Persönlichkeiten ent-
sandt werden, die mit dem Staats= und Rechtsleben gründlich vertraut sind,
die Schaffung eines weiteren Volksvertretungskörpers (Senat oder Herren-
haus) neben dem Reichstage entbehrlich gemacht.
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