Full text: Bürgerkunde.

Der Reichstag 29 
b. Ferner steht Preußen das sog. Veto (d. h. Verbietungs- 
recht) zu hinsichtlich aller Veränderungen in Angelegenheiten des 
Militärwesens, der Kriegsmarine, gewisser indirekter Reichssteuern 
und des gesamten Zollwesens. In diesen Angelegenheiten kann also 
Preußen durch seinen Widerspruch jede Veränderung der bestehenden 
Gesetze, Verordnungen und Einrichtungen verhindern. Damit sind 
die wichtigsten Grundlagen des Reichs seinem Schutze anvertraut. 
c. Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche 
infolge von Reservatrechten einzelner Staaten nicht dem ganzen 
Reiche gemeinschaftlich ist, werden nur die Stimmen der durch die 
Sache berührten Bundesstaaten gezählt.32 
H. Der Reichstag. 
1. Seine Bedeutung und Zuständigkeit. 
Während der Bundesrat, wie wir oben sahen, die verbündeten 
deutschen Regierungen vertritt, besteht der Reichstag aus den ge- 
wählten Vertretern des gesamten deutschen Vol- 
kes. Er bildet die deutsche Volksvertretung, d. h. diejenige Körper- 
schaft, durch welche das deutsche Volk an der Reichsgesetzgebung teil- 
nimmt; denn jedes Reichsgesetz bedarf, wie wiederholt erwähnt, zu 
seinem Zustandekommen neben der Zustimmung des Bundesrats auch 
der des Reichstages. Der Reichstag hat aber nicht nur über die 
vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesentwürfe abzustimmen; viel- 
mehr steht ihm auch das Recht zu, selbst Gesetze vorzuschlagen (Recht 
der Initiative, (. Nr. 27). Verträge, welche dem Reiche 
Lasten oder den Reichsangehörigen Verpflichtungen auferlegen und 
daher in das Gebiet der Gesetzgebung eingreifen, wie z. B. die Zoll- 
und Handelsverträge, stehen den Gesetzen gleich und bedürfen daher 
zu ihrer Gültigkeit gleichfalls der Zustimmung sowohl des Bundes- 
rats wie des Reichstags. 
Ferner wird auch der jährliche LVoranschlag des Reichs- 
haushalts (s. Nr. 28 und 1390), sowie die Aufnahme von 
Reichsanlehen jeweils in Form von Gesetzen beschlossen, was 
zur Folge hat, daß auch dazu die Zustimmung des Reichstags er- 
forderlich ist. Hierdurch besitzt der Reichstag auch einen Einfluß auf 
die ihrem Wesen nach nicht gesetzgeberische Regierungstätigkeit (die 
sog. Exekutive, s. Nr. 11), soweit sie mit Ausgaben und Einnahmen 
verknüpft ist. Auch hat der Reichstag das Recht, vom Reichskanzler 
* So sind z. B. in Angelegenheiten der Reichs-Biersteuer die süd- 
deutschen Staaten nicht stimmberechtigt, weil sie von dieser Steuer ausge- 
nommen sind. 
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