Nachtrag. 525
gerichtlichen Verfahrens durch Gesetze aus den Jahren
1905 und 1909 herbeigeführt worden.
Von dem Strafverfahren unterscheidet sich der
Zivilprozeß grundsätzlich dadurch, daß das erstere
von den Gerichten in der Regel ohne Zutun der Be-
teiligten durchgeführt wird, weil das öffentliche In-
teresse die Bestrafung der übeltäter verlangt. Im
Zivilprozeß dagegen handelt es sich nur um private
Interessen, deren Verfolgung den Privatpersonen,
den Parteien, überlassen wird. Es herrscht daher im
Zivilprozeß im Gegensatz zum Strafprozeß im allge-
meinen der Grundsatz des Parteibetriebs.
Doch tritt er nur im Verfahren vor den Landgerichten
und den höheren Gerichten besonders hervor: hier
ladet die Partei selbst in der Klageschrift den Beklag-
ten zur Verhandlung vor dem Gericht; sie selbst oder
der von ihr beauftragte Gerichtsschreiber läßt die
Klageschrift dem Gegner zustellen. Wenn ferner die
Parteien den Rechtsstreit nicht weiter betreiben, so
ruht das Verfahren. Das schließlich erwirkte Urteil
muß, um rechtskräftig zu werden, im Auftrage der
Partei dem Gegner zugestellt werden, und Sache der
Partei ist schließlich auch die Vollstreckung des Ur-
teils. Im Verfahren vor den Amtsgerichten dagegen
findet in weitem Umfang eine auf Beschleunigung ge-
richtete, von Anträgen der Parteien unabhängige
Tätigkeit des Gerichts statt. Wegen des Näheren
siehe Nr. 597 des Nachtrags.
Früher (man erinnere sich an die Zeiten des ehe-
maligen Reichskammergerichts, vor dem die Prozesse
häufig viele Jahrzehnte lang dauerten) hat man mit
dem schriftlichen Zivilprozeßverfahren schlimme Er-
fahrungen gemacht. Unser deutsches Prozeßverfahren
beruht daher auf dem Grundsatze der Münd-
lichkeit, d. h. die Entscheidungen werden gefällt
auf Grund einer Verhandlung, in der der ganze
Prozeßstoff von den Parteien oder ihren Vertretern
mündlich vorgetragen wird; doch ist in dem Verfahren
vor den Amtsgerichten in gewissem Umfang die Be-
zugnahme auf Schriftstücke zulässig. Dies schließt
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