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42 Das Staatsrecht des Reichs
K. Die Reichsangehörigen.
1. Begriff und Bedeutung der Staatsangehörigkeit.
Die Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmten Staate
heißt die Staatsangehörigkeit. Nur wer sie hat, ist im
Vollbesitze aller bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte, nur ihm
steht insbesondere das aktive und passive Wahlrecht hinsichtlich der
Staats= und Gemeindewahlen, sowie die Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Aemter usw. zu. Dem Staatsangehörigen oder
Staatsbürger steht gegenüber der Ausländers: dieser ge-
nießt zwar im allgemeinen auch den Vorteil unserer Staatseinrich-
tungen, sowie den Schutz unserer Gerichte; politische Rechte aber hat
er nicht, und er kann jederzeit ohne Begründung ausgewiesen werden.
Die bundesstaatliche Gestaltung unseres Deutschen Reiches bringt
es mit sich, daß jedermann regelmäßig Staatsangehöriger eines
Bundesstaats sein muß, um Deutscher (deutscher Reichsangehöriger)
zu sein.5° Jeder Preuße, Bayer, Badener usw. ist von Rechts wegen
Deutscher, und wer in keinem Bundesstaate mehr die Staatsange-
hörigkeit besitzt, hat damit von selbst aufgehört, Deutscher zu sein.
Jeder Deutsche muß nach der Reichsverfassung überall im Deut-
schen Reiche, also auch in den Bundesstaaten, deren Staatsbürgerrecht
er nicht besitzt, als Inländer behandelt und demgemäß zum festen
Wohnsitze, zum Gewerbebetrieb, zu öffentlichen Aemtern, zur Er-
werbung von Grundstücken usw. unter denselben Voraussetzungen wie
der Einheimische zugelassen werden. Es hat mithin z. B. in Preu-
zen ein Bayer oder Badener grundsätzlich die gleichen Rechte, wie der
Preuße selbst, mit Ausnahme jedoch der politischen Rechte, die einen
richtet nach der Pension, die der Beamte im Augerblick seines Todes zu
beanspruchen gehabt hätte.
Von der Pension zu unterscheiden ist das sog. Wartegeld, welches
Beamte beziehen, die ohne das Vorliegen von körperlichen oder geistigen
Gebrechen einstweilen in den Ruhestand versetzt wurden. Dies ist aus
politischen Rücksichten zulässig beim Reichskanzler und anderen hohen Reichs-
beamten, sowie allgemein dann, wenn die von dem Beamten verwaltete
Stelle eingeht.
26 Eine Ausnahme von dieser Regel gilt bezüglich der deutschen Schutz-
gebiete. Den Eingeborenen, sowie den dort ansässigen Ausländern. kann
nämlich die Reichsangehörigkeit verliehen werden; diese Reichsangehörigen
gehören alsdann keinem einzelnen Bundesstaate an.
„ Die Zulassung zu öffentlichen Staatsämtern hat jedoch selbstver-
ständlich zur Voraussetzung, daß der Zuzulassende den in dem betreffenden
Bundesstaate geltenden Prüfungsvorschriften genügt hat; es kann also z. B.
ein Bayer in Preußen als Richter nur angestellt werden, wenn er die
preußischen juristischen Prüfungen abgelegt hat.