Full text: Bürgerkunde.

Die Reichsangehörigen 43 
unmittelbaren Ausfluß der Zugehörigkeit zu dem preußischen Staate 
bilden. So steht das aktive und passive Wahlrecht für das preußische 
Abgeordnetenhaus und für die preußischen Gemeindekörperschaften 
selbstverständlich nur den preußischen Staatsangehörigen zu. 
2. Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. 
Auf welche Weise die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate 
und damit die Eigenschaft eines Deutschen erworben und verloren 
wird, darüber sind für das ganze Reich (durch das Reichsgesetz vom 
1. Juni 1870) einheitliche Bestimmungen getroffen. 
a. Der Erwerb. 
Eheliche Kinder eines Deutschen erwerben mit der Geburt, 
auch wenn sie im Auslande oder in einem anderen Bundesstaat er- 
folgt, die Staatsangehörigkeit ihres Vaters, uneheliche Kinder da- 
gegen die Staatsangehörigkeit ihrer Mutter.5: Ferner erlangt eine 
Frau durch Verheiratung mit einem Deutschen stets die 
Staatsangehörigkeit ihres Mannes und verliert damit ihre eigene. 
Der Erwerb der Staatsangehörigkeit kann auch erfolgen durch Ver- 
leihung seitens der Behörde. Diese geschieht auf Ansuchen durch 
Aushändigung einer förmlichen Urkunde, und zwar spricht man von 
einer Aufnahme in den Staatsverband, wenn der Nachsuchende 
bereits in einem anderen Bundesstaate die Staatsangehörigkeit be- 
sitzt, also bereits Deutscher ist. Die Aufnahme darf nur in den Fällen 
verweigert werden, in denen nach dem Freizügigkeitsgesetze (s. 
Nr. 128) auch der Aufenthalt versagt werden dürfte. Durch sie verliert 
der Aufgenommene übrigens nicht seine bisherige Staatsangehörig- 
keit; es kann also ein Deutscher zugleich in verschiedenen Bundes- 
staaten die Staatsangehörigkeit besitzen, z. B. zugleich Preuße und 
Bayer sein. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit an Aus- 
länder (Nichtdeutsche) heißt Naturalisation : sie steht im Er- 
messen der Behörde.53 Vor der Erteilung ist die Gemeinde oder der 
Armenverband des Orts, wo der Aufzunehmende sich niederlassen 
will, zu hören. 
Wird jedoch ein uneheliches Kind nachträglich durch Verheiratung 
leiner Eltern ehelich, so erlangt es damit, unter Verlust seiner bisherigen 
Staatsangehörigkeit, die seines Vaters. 
Die Ausfertigung der Aufnahmeurkunden, der Natura- 
lisationsurkunden und der Entlassungsurkunden erfolgt 
in Bayern durch die Kreisregierungen, Kammern des Innern, und zwar die 
der ersteren durch die Kreisregierung des Niederlassungsbezirkes, die der 
Entlassungsurkunden durch die der Heimat des Gesuchstellers vorgesetzte 
Kreisregierung. Heimatscheine als Ausweise über den 
Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit zum Ge- 
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