100 II. Verfassung.
1. Ueber den seitherigen Inhalt des 8 85 vgl g 82b und
Bem 1 dazu.
2. Durch den neuen § 35 werden die seither in § 35 der Land-
tagswahlordnung als Ausschließungsgründe behandelten Tatbestände
geregelt. Es schien angezeigt, sämtliche grundlegenden Bestimmungen
über die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit in der Verfassung
selbst zusammenzufassen. Da die im § 35 bezeichneten Voraus-
setzungen nicht das Wahlrecht selbst ausschließen, sondern nur be-
wirken, daß der an sich Wahlberechtigte beim Vorliegen jener Tat-
bestände auf deren Dauer an der Ausübung der Wahlbefugnis ge-
hindert ist, werden diese Fälle nicht mehr, wie nach § 35 der seit-
herigen Landtagswahlordnung, als Gründe, die das Wahlrecht aus-
schließen, bezeichnet, sondern als Gründe, bei deren Vorliegen
die Wahlbefugnis ruht. RegBegr S 20/21. Gleichwohl sind diese
„Wahlberechtigten“ nicht in die Wählerliste aufzunehmen, vol Bem 1
zu § 32 Landt WG.
3. Val § 35 Ziff 1 LandtWO; „Mundtote“ gibt es nach
dem jetzigen bürgerlichen Recht nicht mehr. Außer bei denjenigen,
welche wegen geistiger Erkrankung, Verschwendung oder Trunksucht
nach §§ 6 und 1896 BE entmündigt und damit unter Vormund-
schaft gestellt sind, soll auch bei denjenigen die Wahlberechtigung
ruhen, welche wegen geistiger Gebrechen — nicht auch wegen körper-
licher Gebrechen — nach § 1910 des BGB unter Pflegschaft gestellt
sind. Auch die nach § 1906 des BG angeordnete vorläufige Vor-
mundschaft fällt unter die Bestimmung der Ziff 1. RegBegr S 21.
4. Vgl § 35 Ziff 2 der Landt WO. Die jetzige Fassung schließt
sich dem Wortlaut der Konkursordnung an.
5. Vgl § 35 Ziff 3 Landt W und § 3 Ziff 3 Reichst WG.
Auch Fälle unverschuldeter Arbeitslosigkeit, welche den davon Be-
troffenen zur Annahme einer Armenunterstützung nötigen, können
als Fälle vorübergehenden Unglücks anzusehen sein, welche die Wahl-
berechtigung nicht zum Ruhen bringen; immerhin fordert die An-
wendung dieser Ausnahmebestimmung ein genaues Eindringen in die
sozialen Verhältnisse der betreffenden Wahlberechtigten. Komm Ber
der zweiten Kammer S 46. Unterstützungen aus Stiftungsmitteln,
besonderen Fonds für Wohltaten 2c gelten nach der feststehenden Aus-
legung der bezüglichen Vorschrift des Reichstagswahlgesetzes nicht als
Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln, ebenso die Gewährung
des Armenrechts zur Führung eines Prozesses, SPO § 114 ff, oder
außerordentliche Bewilligungen aus staatlichen Mitteln bei all-
gemeinen Notständen, vgl Seydel in Hirths Ann 1880 S 361.