Full text: Badisches Verfassungsrecht.

102 II. Verfassung. 
ist von einer Bestimmung abzusehen, derzufolge nur diejenigen wahl- 
berechtigt wären, denen die Pflicht zur Leistung einer direkten Staats- 
oder Gemeindesteuer obliegt. Einer solchen Vorschrift, wie sie seiner 
Zeit in der vom Abgeordneten von Feder am 6. März 1866 ein- 
gebrachten Motion in Aussicht genommen war, und wie sie derzeit 
in fast allen größeren deutschen Staaten gilt und auch in den neuen 
bayerischen und hessischen Wahlgesetzentwürfen vorgesehen ist, würden 
zwar die Bedenken, welche gegen die Einführung eines Zensus 
sprechen, nur in geringerem Maße entgegenstehen. Es ist aber von 
einer solchen Verknüpfung des Wahlrechts mit der direkten Staats- 
und Gemeindesteuerpflicht unter den gegenwärtigen Verhältnissen 
schon deshalb abzusehen, weil mit wenigen Ausnahmen die über fünf- 
undzwanzig Jahre alten männlichen Staatsbürger zur Klasse der- 
jenigen Personen gehören werden, welche ein Jahreseinkommen von 
mindestens 500 M. beziehen und daher nach dem Gesetze vom 27. Juli 
1902 eine direkte Gemeindesteuer zu entrichten haben. Wohl aber 
empfiehlt es sich, den obigen, der Wahlgesetzgebung der meisten 
dcutschen Staaten und auch der badischen Gemeindegesetzgebung zu- 
grunde liegenden Gedanken einer Verknüpfung des öffentlichen Rechts 
zur Wahl mit der Erfüllung der öffentlichen Pflicht zur Steuer- 
zahlung in einer Form zum Ausdruck zu bringen, wobei niemand 
wegen der Tatsache allein, daß er nicht steuerpflichtig ist, vom Wahl- 
recht ausgeschlossen wird. Dies geschieht derart, daß die Wahl- 
berechtigung ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Steuerpflicht 
jedermann gewahrt bleibt, daß aber bei denjenigen Wahlberechtigten, 
welche es versäumen, in dem der Wahl vorausgehenden Jahre ihre 
direkte Steuerpflicht gegen Staat oder Gemeinde zu erfüllen, die 
Befugnis zur Ausübung des Wahlrechts vorübergehend zum Ruhen 
gebracht wird.“ 
Demgemäß sollte nach dem Regierungsentwurf die Befugnis 
zur Ausübung der Wahlberechtigung ruhen, „wenn der Wablberech- 
tigte im letzten der Wahl vorausgegangenen Jahr es versäumt hat, 
die ihm gegenüber dem Staate oder der Gemeinde obliegende Pflicht 
zur Entrichtung einer direkten Steuer zu erfüllen“. 
Einige von der Kommission der zweiten Kammer an der Fassung 
des Regierungsentwurfs vorgenommene Aenderungen sollen zum 
Ausdruck bringen, daß die Versäumung der Pflicht zur Steuer- 
zahlung nur dann in Betracht kommt, wenn sie sich auf eine für 
das der Wahl vorausgegangene Steuerjahr bestandene Pflicht be- 
zieht, wenn ihr auch im Augenblick des Abschlusses der Wählerliste 
noch nicht genügt ist, wenn rechtzeitig eine Mahnung vorausgegangen 
und dem Pflichtigen nicht Stundung bewilligt worden ist. Komm Ber
	        
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