Full text: Badisches Verfassungsrecht.

112 II. Verfassung. 
erfolgter Gültigerklärung einer Wahl können Anfechtungsgründe, die 
schon vor der Beschlußfassung der Kammer entstanden waren, nicht 
mehr geltend gemacht werden, arg § 9 Gesch O II. K, die Entscheidung 
der Kammer ist somit unwiderruflich, vgol Walz aa O S 172. 
Die von Walz aa O S152 vertretene Auffassung, die Kam- 
mer habe, wie aus dem Worte „erkennt“ folge, nicht bloß die Legitima- 
tion des vom Wahlkommissär proklamierten Wahlresultats zu prüfen, 
sondern unter Umständen auch an Stelle der als gewählt proklamierten 
Person eine andere als gewählt zu bezeichnen, erscheint zweifelhaft; 
für den Reichstag wird das Gegenteil angenommen, allerdings auf 
Grund eines abweichenden Wortlauts der bezüglichen Bestimmung 
in Art 27 Reichs Verf. Vgl Seydel in Hirths Ann 1880 S 386 
und 393 und Kommentar S 207. — 
„Daß die Entscheidung materiell den Charakter eines Urteils 
hat, also nach Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit, nicht 
nach dem politischen Parteiinteresse, erfolgen sollte, bedarf keiner 
Ausführung.“ Laband, Staatsrecht I. S 312 und 313; ebenso 
von Seydel, Kommentar, S 208. 
Ueber die Kassierung von Wahlen wegen Wahlbeein- 
flussung führt Seydel in Hirths Ann 1880 S 389 
aus: „Es besteht kein Rechtssatz, wonach eine Ungültigkeit 
daraus abgeleitet werden könnte, daß Jemand auf die Stimm- 
abgabe des Wählers Einfluß genommen oder zu nehmen versucht hat. 
Die Art, wie Letzteres geschehen ist, kann möglicherweise denjenigen, 
welcher die Einwirkung ausgeübt hat, nach Strafrecht oder Dienstrecht 
verantwortlich machen; für die Gültigkeit der Stimme des Wählers 
ist die Beeinflussung unerheblich. Das Recht frägt nicht nach den 
Gründen der Abstimmung. Die Unabhängigkeit des Wählers findet 
ihren Schutz lediglich in den für die Wahlhandlung vorgeschriebenen 
Formen“, und ähnlich Laband, Staatsrecht I. S 310/11: „Die 
Freiheit der Wahlbeeinflussung ist das Korrelat des allgemeinen, 
direkten Wahlrechts, und ohne sie ist die Erzielung einer absoluten 
Stimmenmehrheit der Wähler eines Kreises kaum zu erwarten. Mora- 
lisch mögen die Mittel, welche zur Beeinflussung der Wähler verwendet 
werden, oft recht verwerflich sein; rechtlich ist ein Mittel nur un- 
statthaft, wenn es gesetzlich verboten ist.“ Auch ist wegen des Grund- 
satzes der geheimen Abstimmung (vol Bem 5 zu § 33 Verf und Bem 3 
zu § 73 Landt WG) der Einfluß einer etwaigen Wahlbeeinflussung 
auf das Wahlergebnis überhaupt nicht sicher festzustellen, vgl Sey- 
del aa O S390. Der Reichstag hat allerdings nicht selten auch 
wegen Verletzung der Wahlfreiheit die Ungültigkeit von Wahlen aus- 
gesprochen, vol insbesondere den Bericht der Wahlprüfungskommission
	        
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