EIN HERRENVOLK 163
schwer es ihm fallen mußte, sich gerade zu der ungarischen öffentlichen
Meinung, ungarischen Leidenschaften und ungarischen Vorurteilen, den
Wünschen ungarischer Minister in Gegensatz zu setzen. Gegenüber starken,
schr starken Passiven hatte seine Regierung nur wenige aktive Posten auf-
zuweisen, und unter diesen stand die Versöhnung mit der ungarischen
Nation für Kaiser Franz Josef an erster Stelle. Sie war teuer, vielleicht zu
teuer bezahlt worden. Gerade deshalb wollte er diesen Gewinn nicht ver-
scherzen, und er wußte, daß er Gefahr lief, ihn einzubüßen, sobald er den
überspannten magyarischen Nationalgefühlen entgegentrat. Die Magyaren
waren nun einmal ein aristokratisches Herrenvolk, dem eine damals noch
schr unterwürfige und dabei magyarisch-cl isch gesinnte Juden-
schaft die erforderlichen Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten und Finanziers
lieferte. Im Grunde hat sich die ganze ungarische innere Politik, die so viel
Staub aufwirbelte, während Jahrzehnten um den Kampf zwischen einigen
Grafen und ihrer Gefolgschaft gedreht: dem Grafen Gyula Andrässy,
dem Grafen Albert Apponyi, dem Grafen Bänffy, dem Grafen Khuen-
Hederväry, dem Grafen Michael Kärolyi und dem größten von ihnen, dem
Grafen Stefan Tisza, denen ab und zu einige Sprossen der Gentry wie
Koloman von Szell, Wekerle, Fejerväry angegliedert wurden.