Verfassung. § 67. 153
geregelten Ausnahme für den Fall der Bitte um Vorlage eines
Gesetzes, vgl Bem 4.
Auch gewöhnliche Beschwerden kann jede Kammer für sich an
den Großherzog bringen; zu Beschwerden, welche die Beschuldigung
einer Verletzung der Verfassung oder verfassungsmäßiger Rechte ent-
halten, ist, wie zu Ministeranklagen, § 67 a, die zweite Kammer allein
befugt, mit der einen Einschränkung, daß wegen Verletzung der ver-
fassungsmäßigen Rechte der ersten Kammer, auch dieser Kammer das
Beschwerderecht zusteht. Die früher für die unter § 67 fallenden
Vorstellungen und Beschwerden allgemein übliche, in Abs 1 Satz 2,
Abs 3 Satz 2, Abs 4, Abs 5 im Gegensatz zu Abs 1 Satz 3 vor-
ausgesetzte Form einer Adresse an den Großherzog ist in neuerer
Zeit außer Uebung gekommen, und es beschränken sich die Kammern
nunmehr in der Regel darauf, ihre Wünsche und Beschlüsse (Reso-
lutionen) in das Protokoll der Kammer niederzulegen, aus dem als-
dann Auszüge der Regierung übermittelt werden. Doch kann dieser
Aenderung in der formellen Behandlung der Vorstellungen, Bitten
und Beschwerden selbstverständlich eine materielle Bedeutung weder
hinsichtlich der die Zuständigkeit der ersten Kammer ausschließenden
Vorschrift in Abs 3 Satz 1, noch bezüglich der die Anhörung der
andern Kammer verlangenden Bestimmung in Abs 5 zukommen.
Eine Nachweisung über die Erledigung dieser Wünsche und Reso-
lutionen wird in neuerer Zeit den Kammern seitens der Regierung
in der Regel nicht mehr übergeben.
2. Die Entscheidung darüber, ob eine Beschwerde „gegründet“
und deshalb eine Verordnung zurückzunehmen ist, wird der Regierung
zustehen, vgl Schenkel, Staatsrecht, S 12; Wielandt, Staats-
recht, S 60.
Im übrigen wird zu Vorstellungen und Beschwerden, mit denen
Verordnungen reklamiert werden, nach § 67 Abs 4 jetzt jede Kammer
für sich allein befugt sein (a M Schenkel, Staatsrecht, S 12
und 16, der für solche Beschwerden übereinstimmende Beschlüsse
beider Kammern für erforderlich hält), während nach der früheren
Fassung des § 67 Abs 3 auch hierfür die Zustimmung der Mehr-
heit einer jeden der beiden Kammern erforderlich war. Tat-
sächlich hat auch die erste Kammer auf dem ersten Land-
tag nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 20. Februar 1868 von
sich aus eine Prüfung der seit dem letzten Landtag erlassenen
Verordnungen vornehmen lassen, Prot d Il. K, 1869/70, S 208,
und es wurde auch von der zweiten Kammer in den letzten Jahren
die Mitteilung über die Reklamation von Verordnungen unmittel-
bar an das Staatsministerium gerichtet, ohne vorherige Beratung in