I. Geschichte der Verfassung. 11
mer in der Sitzung vom 23. November 1844 beschlossene Adresse an den
Großherzog lediglich die Vertretung der Standesherren und der geist-
lichen Mitglieder der ersten Kammer in Verhinderungsfällen als einer
neuen Regelung bedürftig bezeichnete. In der zweiten Kammer
gelangte diese Adresse nicht mehr zur geschäftlichen Behandlung.
Erst 20 Jahre später wurde die Reform der ersten Kammer von
neuem aufgegriffen zufolge einer am 27. Februar 1864 in der ersten
Kammer begründeten Motion des Geheimen Rats Dr. Bluntschli,
nachdem auf dem vorhergehenden Landtag 1861/63 anläßlich der
Beratung des durch das Gesetz vom 17. Juni 1862 neu eingeführten
74 a der Verfürk über die Berechnung der Vollzähligkeit der ersten
Kammer von dieser Kammer der Wunsch zu Protokoll erklärt worden
war, die Regierung möge die Frage einer zeitgemäßen Rcorganisation
der ersten Kammer in beförderliche Erwägung ziehen, dabei ins-
besondere auf die Möglichkeit einer Stellvertretung der standes-
herrlichen Mitglieder Bedacht nehmen, und noch auf dem gegen-
wärtigen Landtag einen bezüglichen Gesetzentwurf einbringen, eine
Anregung, die der Kommissionsbericht der zweiten Kammer über das
Gesetz vom 17. Juni 1862 freudig begrüßte, die aber dem Plenum
der zweiten Kammer, weil mit der zur Beratung stehenden Abände-
rung des § 74 nicht unmittelbar zusammenhängend, nicht zu einem
Beschluß Anlaß gab.
Die Motion des Geheimen Rats Dr. Bluntschli erstrebte eine
Zusammensetzung der ersten Kammer aus den Prinzen des Großherzog=
lichen Hauses, den Häuptern der standesherrlichen Familien, dem
Landesbischof und dem protestantischen Prälaten, denen wie den
Standesherren ein Stellvertretungsrecht eingeräumt werden solltce,
ferner aus acht Vertretern des großen Grundbesitzes, sechs Vertretern
der großen Industrie und des beweglichen Kapitalvermögens, drei
Vertretern der beiden Landesuniversitäten und der polhytechnischen
Schule, den Vertretern der größeren Städte, sowie höchstens vier auf
Lebenszeit und höchstens sechs je auf acht Jahre von dem Großherzog
ernannten Mitgliedern. Die Motion fand in der ersten Kammer
in der Sitzung vom 7. Juni 1864 im wesentlichen Zustimmung, ins-
besondere wurde die Ersetzung der Abgeordneten des grundherrlichen
Adels durch Vertreter des Großgrundbesitzes, deren Zahl jedoch wie
diejenige der vom Großherzog ernannten Mitglieder auf 10 erhöht
werden sollte, gebilligt, ebenso dic Berücksichtigung der polhtechnischen
Schule, der größten Städte, sowie des Großhandels und der Industric,
die jedoch nur vier Vertreter in die erste Kammer stellen sollten.
Außerdem wurde eine Aenderung der Vorschrift des § 28 Abs. 3
der Verfassung bezüglich der erblichen Landstandschaft und die Ein-