Full text: Badisches Verfassungsrecht.

I. Geschichte der Verfassung. 13 
Beschränkung des Wahlrechts auf die eine bestimmte Staatssteuer 
entrichtenden Personen. 
Auch der Verfassungsausschuß der konstituierenden National- 
versammlung in Frankfurt entschied sich nach der ausdrücklichen Angabe 
in seinem Bericht für direkte Wahlen nur „im Zusammenhang und 
unter Voraussetzung der anderen Bestimmungen, welche von ihm 
vorgeschlagen werden“, d h der Beschränkung des Wahlrechts auf die 
selbständigen Staatsbürger und des Ausschlusses der Dienstboten, 
Handwerksgehilfen und Fabrikarbeiter, sowie Taglöhner. Die 
Nationalversammlung allerdings beschloß mit 264 gegen 202 Stimmen 
am 1. März 1849 die direkte Wahl ohne jede Beschränkung. Trotz 
diches Votums und obwohl die Verfassungen des Norddeutschen Bundes 
und des Deutschen Reichs den Grundsatz der direkten Wahl der Abge- 
ordneten zum Reichstag gleichfalls anerkannten, hat das Verlangen 
direkter Wahlen auch in der Folge noch lange nicht die gleiche Zugkraft 
gewonnen, wie die Forderung des allgemeinen Wahlrechts. 
Erst gegen Ende der sechziger Jahre fand der Gedanke der Ein- 
führung direkter Wahlen bei uns cine parlamentarische und publi- 
zistische Vertretung. Noch die oben erwähnte Motion des Abgeord- 
neten von Feder vom 6. März 1866 enthält diese Forderung nicht, 
und der über diese Motion erstattete Kommissionsbericht der zweiten 
Kammer sprach sich ausdrücklich „für die Beibehaltung der bis jetzt 
noch von keiner Seite angefochtenen und durch ein halbes Jahr- 
hundert bewährt gefundenen mittelbaren Wahlen“ aus, und erklärte 
die gegen das allgemeine Wahlrecht bestehenden Bedenken nur für 
solange unbegründet, als die Einrichtung der mittelbaren Wahl bei- 
behalten wird. 
Die gleiche Stellung nahm die zweite Kammer in ihrer über- 
wiegenden Mehrheit ein, als auf dem Landtag 1869/70, welchem, 
wie oben erwähnt, seitens der Regierung Gesetzentwürfe über die 
Einführung des allgemeinen Wahlrechts mit geheimer Abstimmung 
vorgelegt wurden, der Abgeordnete Lindau in einer Motion vom 
29. September 1869 die Forderung des direkten Wahlrechts erhob, 
die auch von einigen Abgeordneten anderer Parteien unterstützt 
wurde. Der bei der Beratung des erwähnten Gesetzes gestellte Antrag 
des Abgeordneten Kiefer, dem § 34 der Verfassung den Wortlaut 
zu geben: „diese Abgeordneten gehen aus allgemeiner und direkter 
Wahl mit geheimer Stimmgebung hervor“, wurde von der zweiten 
Kammer mit allen gegen 13 Stimmen abgelehnt. 
Erneuert wurde dieses Verlangen auf dem Landtag 1873/74 
durch einen Initiativantrag des Abgeordneten von Buß, der un- 
mittelbare Wahl sowie Beseitigung der Städtewahlbezirke erstrebte,
	        
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